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Männerstation

Männerstation

Titel: Männerstation
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gerade, schöne Nase. Darauf war er besonders stolz, denn er war ein Massai, ein Kind jener hochgewachsenen Herren am Fuße des Kilimandscharo, die es stolz ablehnten, Neger genannt zu werden.
    Evelyn Frerich sah Dr. Sambaresi mit flimmernden Augen an.
    »Helfen? Nein, danke. Ich … ich …« Sie wußte nicht, was sie sagen sollte. Der Blick der schwarzen Augen verwirrte sie.
    »Sie suchen nichts?«
    »Nein.«
    »Schade.«
    »Warum?«
    »Ich hätte Ihnen gern geholfen.«
    Er lachte, übermütig wie ein Junge, nickte wieder und eilte den Gang hinab, wo er hinter einer großen Glastür verschwand. »Eintritt verboten. Röntgenabteilung«, stand in großen schwarzen Buchstaben an dem Glas. Evelyn Frerich hielt ein Küchenmädchen an, das mit einem Wagen gebrauchten Geschirrs an ihr vorbeifuhr.
    »Wer war das?« fragte sie.
    »Wer?« Das Küchenmädchen sah sich um.
    »Ein Doktor. Groß, braun wie ein Neger, aber doch nicht aussehend wie ein Neger.«
    »Ach der! Das ist Doktor Bawuno Sambaresi, unser neuer Röntgenarzt. Er ist hier als Assistent bei Doktor Budde.«
    »Und wo kommt er her?«
    »Ich weiß nicht. Irgendwo aus Afrika. Talanquita oder so …«
    »Tanganjika.«
    »Kann auch sein.« Das Küchenmädchen rollte den Geschirrwagen weiter. Sonntags war man froh, wenn alles schnell ging. Nach dem Spülen des Mittagsgeschirrs war frei bis zum Abend. Das mußte man ausnutzen für Kino, für die Eisdiele, für einen Tanz, einen Flirt, eine lauschige Ecke und so.
    Evelyn Frerich sah auf die Glastür mit den Worten ›Eintritt verboten‹. Bawuno Sambaresi, dachte sie. Wie das klingt. Wie eine Urwaldtrommel, dunkel, geheimnisvoll, ins Blut gehend. Bawuno Sambaresi … wenn man die Augen schloß und den Klang des Namens im Herzen, war die Steppe gegenwärtig und der vielstimmige Laut ihrer Tiere.
    Sie zerdrückte die Zigarette auf der Fensterbank des Treppenhausfensters und warf den Zigarettenrest hinaus in den Vorgarten. Im undeutlichen Spiegel der Scheibe ordnete sie die blonden Haare, zog das Rot der Lippen etwas nach und zupfte den Spitzenrand des Unterrocks etwas höher in den tiefen Ausschnitt.
    Karl darf sich nicht scheiden lassen, dachte sie trotzig wie ein verzogenes Kind. Er bietet mir monatliche Sicherheit, er hat eine Dreizimmerwohnung und eine gute Lebensversicherung. Sie sah noch einmal in die Scheibe und ging zurück in den langen Flur der Männerstation III.
    Bawuno Sambaresi, dachte sie, als sie die Tür öffnete. Man sollte sich einmal röntgen lassen.
    *
    Hieronymus Staffner lag verwundert auf der Seite und sah auf die Uhr. Es war schon drei Uhr, und seine Frau Margot war noch nicht gekommen. Das kannte er nicht an ihr. Es war möglich, daß sie durch Besuch aufgehalten worden war, aber auch dann kam sie nur wenige Minuten später und brachte entweder den Besuch mit oder verabschiedete ihn kurzerhand. Seit Hieronymus Staffner sein linkes Bein verloren hatte, durch einen Knochentumor, den man rechtzeitig erkannte und radikal anging, war Margot von einer rührenden Fürsorge. In den Krisentagen nach der Operation war es ihr sogar vom Oberarzt Dr. Pflüger selbst erlaubt worden, daß sie im Krankenhaus bleiben durfte, bis die Gefahr einer Embolie gebannt war und sich alles normalisierte. Staffner hatte sich dafür mehrmals bei Dozent Dr. Pflüger bedankt, aber der hatte abgewunken: »Ihre Gattin hat mich so nett darum gebeten … da muß man mal beide Augen zudrücken …«
    Die Person Dr. Pflügers war eigentlich der Drehpunkt der ganzen chirurgischen Abteilung. Chefarzt Prof. Morus war der König; mit ihm direkt zu sprechen war geradezu vermessen. Sein Sprachrohr war Dr. Pflüger; er gab weiter, was Morus meinte, und er teilte Morus mit, was gesagt werden mußte. Die großen ›Chefoperationen‹ machte Pflüger. Damit die Sache seine Richtigkeit hatte, erschien Morus kurz im OP, setzte eine Naht oder nahm den vorbereiteten Tumor heraus. Zweimal in der Woche allerdings stand auch Prof. Dr. Morus am OP-Tisch. Dann verzeichnete die schwarze Tafel im OP-Gang einen Fall, der nicht Routine war, sondern von den jungen Ärzten diskutiert wurde. Ein gewagter Billroth II, eine Cholezystenteroanastomose bei einem Pankreaskopfkarzinom oder eine Lobektomie bei Bronchiektasien. Dann zeigte Morus eine fast artistische Fingerleistung und eine Schnelligkeit und Sicherheit, die vergessen ließ, wie selbstherrlich er sonst in seinem Krankenhaus herrschte. Diese Operationen versöhnten alle heimlichen Feinde – auch
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