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Männerstation

Männerstation

Titel: Männerstation
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Spitzenwäsche. Ich bin Buchhalter, dachte er, ein kleiner Durchschnittsbuchhalter ohne großen Geist, ohne Aufstiegsmöglichkeiten, ohne Ehrgeiz. Ich bin nur ein kleines Rädchen in einer riesigen Maschinerie, ein anonymer Massenmensch.
    »Wer hat das alles bezahlt?« fragte er heiser.
    »Wieso?« Evelyn sah ihn mit großen Kulleraugen an. »Dein Gehalt geht doch weiter, Karli. Und das Krankenhaus bezahlt doch die Krankenkasse. Für das, was ich spare, weil du nicht zu Hause bist, habe ich das gekauft. Für dich, Liebling. Du sollst dich freuen.« Sie beugte sich über ihren Mann. Aus dem Ausschnitt des Kleides leuchtete weiß ihr Brustansatz. »Sag mir doch, daß ich schön bin. Früher hast du es immer gesagt … und noch ganz andere Dinge!« Sie lachte leise, girrend, im Ton auf und ab schwellend. Ihre langen, nach Maiglöckchen duftenden Finger glitten über seine Haare und die Stirn. Er schüttelte den Kopf, als belästige ihn eine Fliege. »Du bist so ernst, Liebling, ich vermisse so sehr deine Zärtlichkeit.«
    »Geh!« sagte Frerich heiser. »Bitte geh.«
    »Wenn du wieder nach Hause kommst …«
    »Laß dieses widerliche Schauspiel! Warum kommst du immer wieder hierher? Genügt es nicht, daß ich weg wollte und es nicht gelungen ist? Wer bezahlt dir die Kleider und den Schmuck?« Er drehte den Kopf zur Wand. »Du kannst alles behalten, was ich habe, alles! Ich ziehe weg, irgendwohin … ich will von vorn anfangen.«
    »Und ich?«
    »Es werden sich genug finden, die dir das geben, was du brauchst.«
    »Du bist so gemein, Karli.« Sie tupfte mit einem Spitzentaschentuch gegen die Kulleraugen, als müsse sie unsichtbare Tränen abtrocknen. »Ich konnte doch damals nichts dafür, ich bin überrumpelt worden. Du kennst doch deinen Chef. Und außerdem hat er mir versprochen, daß du Abteilungsleiter wirst.«
    »Geh!« sagte Frerich gepreßt. »Oder soll ich dich von Schwester Inge hinausschaffen lassen?! Ich kann dich nicht mehr hören.«
    Evelyn Frerich erhob sich von der Bettkante. Sie lächelte freundlich zu den anderen Betten, ein maskenhaftes, strahlendes Lächeln, das von den breitgezogenen Mündern der Männer erwidert wurde. Dann ging sie mit wiegenden Hüften aus dem Zimmer, stellte sich an das Ende des Ganges in das große Treppenhaus und steckte sich eine Zigarette an. Ihr Gesicht war nachdenklich geworden. Wenn Karl sich scheiden ließ, verlor sie ihre kleine bürgerliche Sicherheit. Das war das einzige, was sie noch an ihren Mann fesselte. Sie selbst hatte nicht viel gelernt, weil sie schon sehr früh damit begann, Männer einzufangen wie süßer Fliegenleim die Motten. Mit achtzehn Jahren heiratete sie Karl Frerich, mit achtzehneinviertel Jahren betrog sie ihn zum erstenmal mit einem Wäschereibesitzer und kaufte sich von dem gesparten Reinigungsgeld einen Ring mit einem Lapislazuli. So ging es weiter in einer Art werteschaffender Kompensierung: Flüchtige Liebe gegen Naturalien. Eine Stunde Rausch gegen die Fleischrechnung für eine Woche oder den monatlichen Brötchenverbrauch. Auch einen elektrischen Wasserboiler hatte sie auf diese Weise angeschafft, und im Grunde genommen konnte Frerich froh sein, eine solch auf den Haushalt bedachte Frau zu besitzen.
    Der Selbstmordversuch unterbrach die wirtschaftliche Entwicklung der Frerichs. Evelyn hatte keine anderen Erklärungen als die immer wiederkehrenden Beteuerungen: Ich liebe dich doch … und das andere … da ist doch nichts dabei. Keinen von den Männern liebe ich, das weißt du doch. Karl Frerich war entsetzt; er ging mit seiner Frau zu einem Psychiater und ließ sich sagen, daß man diese Krankheit Nymphomanie nenne und es kein Heilmittel dagegen gäbe. Es war also ein Teufelskreis, in den er geraten war … er liebte Evelyn mit der ganzen Kraft seines Herzens, und sie betrog ihn, weil sie nicht anders konnte.
    Evelyn rauchte hastig und nervös. So traf sie Dr. Sambaresi an, als er aus dem Fahrstuhl stieg. Sein Blick nach dem Weggleiten der automatischen Tür fiel als erstes auf die langen, blonden Haare und auf ein Gesicht, das ihn mit großen, blauen Augen interessiert anstarrte.
    Dr. Sambaresi, der zur Röntgenstation wollte, blieb stehen, überlegte kurz, drehte sich um und kam zu Evelyn Frerich zurück.
    »Kann ich ihnen helfen?« fragte er und lächelte sie an. Er war ein großer, schlanker Mann mit einer dunkelbraunen Hautfarbe und kurzgeschorenen Haaren. Er hatte nur wenig von einem Neger an sich, keine aufgeworfenen Lippen und eine
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