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Männerstation

Männerstation

Titel: Männerstation
Autoren: Heinz G. Konsalik
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In Gegenwart eines so entzückenden Mädchens sollte man … überhaupt muß ich noch sagen, daß ich meinen Unfall als Glück betrachte, denn von Ihnen einigen Wochen gepflegt zu werden, ist ein Himmelsgeschenk.«
    Die Männer des Zimmers 5 saßen in ihren Betten und hörten mit offenem Mund zu. Paul Seußer machte trotz aller Gegenwehr »hicks!«
    »Der hat uns noch gefehlt!« sagte Brohl. »Bevor Sie sich ins Bett legen, junger Mann, merken Sie sich eins: Schwester Inge ist Allgemeinbesitz! Sie gehört uns allen! Wir alle sind in sie verliebt.«
    »Wie dumm Sie reden!« Inge Parth bekam einen hellroten Kopf, ließ den Arm Lukas Ambrosius' los und lief aus dem Zimmer. Paul Beißelmann kam aus der Ecke, ein lautloser weißer Geist.
    »Wann hatten Sie zuletzt Stuhlgang?« fragte er. Ambrosius zuckte zusammen.
    »Warum?«
    »Wann?«
    »Gestern abend.«
    »Dann mache ich Ihnen ein Klistier.«
    »Muß das sein?« Ambrosius ging zu seinem Bett und setzte sich. »Der Arzt unten hat nichts …«
    »Sie werden nachher, wenn die lokale Betäubung aufhört, starke Schmerzen bekommen. Dann erhalten Sie eine Spritze. Aber die wirkt besser, wenn Sie einen leeren Darm haben.« Beißelmann half Ambrosius beim Ausziehen und beim Überstreifen des hauseigenen Schlafanzuges. Die Mutter Ambrosius' war benachrichtigt, sie wollte in einer Stunde die nötige Wäsche ins Krankenhaus bringen. »Kommen Sie!« Beißelmann faßte Ambrosius unter und stützte ihn. Mehr getragen als gehend schwebte Ambrosius zur Tür. »Glauben Sie mir, das wird Ihnen guttun.«
    Zimmer 5 schwieg, bis die Tür hinter den beiden zugefallen war. Dann wischte sich Brohl über die Augen und seufzte tief.
    »So ein Aas, der Beißelmann!« sagte er rauh. »Jetzt haut er dem ein Ding hin, daß er zehn Tage davon träumt. Ich kenne das vom Lazarett her. Mensch, wie schön wär's im Krankenhaus, wenn's nicht den Beißelmann gäbe!«
    *
    Um zwei Uhr, nach dem Mittagessen und einer Stunde völliger Ruhe, wurde das Krankenhaus für die Besucher geöffnet. Diese strenge Verordnung galt nur für die 2. Klasse; auf den Privatstationen gab es keinerlei Beschränkungen. Dort konnte man gehen und kommen, wann man wollte. Im Mehrbetrag von Pflege- und Arztkosten waren diese Vergünstigungen enthalten.
    Kaum hatte sich der große Schlüssel knirschend im Schloß der dicken Doppeltür gedreht und hatte die Pfortenschwester den rechten Türflügel enthakt, quoll der Besucherstrom in die Halle und durch die Flure zu den Zimmern. Familien mit großen und kleinen Kindern, Bauern aus der Umgebung mit prall gefüllten Aktentaschen und Körben, Frauen mit Kuchentabletts und Einkaufstaschen, Männer mit Blumensträußen und Alkoholfahnen liefen, rutschten, klapperten, riefen und lachten durch die Gänge, fielen in die Zimmer ein und begrüßten sich mit Hallo und gespielter, Sorglosigkeit vorspiegelnder Fröhlichkeit. Es waren Minuten, in denen die weißgetünchte, sauerstoffzeltstille Ordnung des Krankenhauses zusammenbrach, als habe eine wilde Woge einen Deich überspült. Später wurde es dann wieder stiller; alles war in den Zimmern, hockte auf Stühlen und Schemeln um die Betten und ließ sich erzählen, wie es einem ging, wo es noch weh tat und was man so den ganzen Tag im Bett tun würde. Thermoskannen mit Kaffee wurden ausgepackt, Kuchen und Schokolade, Obst und Pralinen, man sagte: »Du siehst schon viel besser aus als voriges Mal …« und dachte dabei: Die Haut ist gelber geworden, und wie hohl die Augen sind …
    Auch Evelyn Frerich, die Frau des Selbstmörders und Sonntagssonne des Zimmers 5, kam wieder. Sie trug ein tief ausgeschnittenes Kleid, durch das man die spitzenbesetzten Unterkleider sah. Wenn sie am Fenster stand, gegen die Sonne, konnte man deutlich die Konturen ihrer Schenkel verfolgen, wie in einem Schattentheater.
    »Und das nach drei Wochen Bettruhe«, sagte Brohl leise zu Seußer. »Es ist fast Sadismus von ihr.«
    »Guten Tag, mein Liebling«, sagte Evelyn Frerich wie immer. »Wie fühlst du dich? Ich habe dir Rotwein mitgebracht, den darfst du doch trinken.«
    Karl Frerich lag auf dem Rücken und sah seine Frau wortlos an. Sein Blick glitt von ihren langen hellblonden Haaren über Gesicht, Hals und Schultern, den Körper hinunter bis zu den langen, schlanken Beinen und den weißen spitzen Schuhen mit den hohen Absätzen, die offensichtlich aus Italien kamen. Er sah die neue Frisur, eine dünne goldene Halskette mit einem Medaillon, das neue Kleid, die
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