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Männer und der ganz normale Wahnsinn

Männer und der ganz normale Wahnsinn

Titel: Männer und der ganz normale Wahnsinn
Autoren: Karen Templeton
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noch nicht in persona gesehen. Ein Zustand, den ich eigentlich so lange wie möglich aufrecht erhalten will. Hey – ich habe schließlich genug Schwierigkeiten damit, überhaupt Luft zu bekommen. Jetzt auch noch um das bisschen Sauerstoff mit meiner Mutter konkurrieren zu müssen, könnte tödlich enden. Trotzdem bin ich einen Moment lang fast geneigt, ihrem Vorschlag zuzustimmen, weil ich nicht die Kraft habe, zu streiten. Vor allem nachdem ich dumm genug war, ihr von meinen Plänen zu erzählen.
    Doch dann rettet mich mein Überlebensinstinkt, und ich sage: „Nur über meine Leiche.“
    Eine Frau, deren Vorstellung von einer heißen Verabredung ist, mit körperlicher Gewalt von einer politischen Demonstration entfernt zu werden, fühlt sich durch so was nicht beleidigt. Wenn überhaupt, dann fordert sie dieser Spruch nur noch mehr heraus. Doch ich unterbreche sie umgehend.
    „Das ist etwas, was ich alleine durchstehen muss“, behaupte ich und denke hmmmm … nicht schlecht. Ich schenke mir ein Glas Orangensaft ein, schlucke die Pille, obwohl ich mir ganz offensichtlich in naher Zukunft keine Gedanken über Geburtenkontrolle machen muss. Doch allein die Vorstellung, nach zehn Jahren wieder heftige Perioden und Krämpfe ertragen zu müssen, macht mich panisch. Nachdem ich sie heruntergeschluckt habe, sage ich: „Ich bin jetzt erwachsen. Ich brauche keine Mammi mehr, die meine Hand hält.“
    „Das habe ich doch gar nicht behauptet. Aber wie willst du dein Gepäck ganz alleine im Zug zurückschaffen?“
    Über das Problem habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Doch es gibt Zeiten, in denen der Selbsterhaltungstrieb wichtiger ist als Logik.
    „Das krieg ich schon hin.“
    „Du solltest dieser Frau nicht alleine gegenübertreten.“
    Warum Nedra Phyllis Munson so sehr hasst, weiß ich nicht. Gregs Mutter war immer sehr nett zu meiner Familie, zumindest die paar Mal, wo sie sich über den Weg gelaufen sind. Doch andererseits ist Phyllis zu jedem nett. Während meine Mutter in den Sechzigern Büstenhalter und Fahnen verbrannt hat, hat Gregs Mutter den Juroren von Schönheitswettbewerben schöne Augen gemacht. Ein Mal hat sie es sogar geschafft, als Miss New York nach Atlantic City zur Endausscheidung zu kommen, ich habe vergessen, in welchem Jahr das war. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sie es nie verwunden hat, nicht unter die ersten zehn gekommen zu sein. Was ich damit sagen will, ist, dass Phyllis vermutlich gar nicht weiß, wie man nicht lächelt. Wobei sich einem die Frage aufdrängt, ob es nicht irgendwann seinen Tribut fordert, wenn man so viele Jahre lang so unglaublich nett ist.
    Wie auch immer, das Verhältnis zwischen Phyllis und mir ist ein ganz klein wenig getrübt, seit ihr Sohn unsere Hochzeit verpasst hat. Es wird für uns beide unangenehm werden, wir werden nicht wissen, was wir sagen sollen. Aber auch noch meine Mutter ins Spiel zu bringen, wäre in etwa, als würde man noch zusätzlich scharfe Sauce auf Hühnchen nach Szechuan-Art schütten. Außerdem will ich nicht, dass meine Mutter mitbekommt, wie viel Angst ich davor habe, mich wieder in die echte Welt hinaus zu wagen.
    Also kratze ich alles an Überzeugungskraft zusammen und sage: „Ich gehe allein und fertig.“ Meine Mutter gibt einen ihrer langen leidenden Seufzer von sich, vor denen sich alle Töchter dieser Welt fürchten, und antwortet: „Also gut, sehr schön, sehr schön …“, was natürlich nichts anderes heißt als, dass sie es nicht schön findet, aber damit umgehen kann. Ich koste diesen kleinen, delikaten und vor allem wertvollen Sieg einen Augenblick lang aus. Bis sie fortfährt: „Es ist ja nicht so, dass du dich mit mir blamieren würdest oder so.“
    Wenn ich genug Kraft hätte, würde ich loslachen.
    „Na gut“, fügt sie hinzu, als ob meine Weigerung, ihr zu widersprechen, ihr nichts ausmacht, „wann willst du fahren?“
    Ich druckse ein wenig herum. „So gegen elf.“ Mein Herz beginnt heftig zu klopfen. Ich öffne die Kühltruhe, in der noch drei von den gesunden Fertiggerichten liegen, ein halb gefüllter Eiswürfelbehälter und ein einsamer Eisriegel von Häagen-Dazs. Mit Nüssen. „Vielleicht.“ Ich reiße das Papier ab und seufze, als die herrlich cremige Schokolade auf meiner Zunge geradezu explodiert. Ja, ich weiß, es ist noch nicht mal neun Uhr morgens. Na und? „Ich bin mir noch nicht sicher.“ Was natürlich eine dreiste Lüge ist, denn schließlich will ich Phyllis auch antreffen.
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