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Männer und der ganz normale Wahnsinn

Männer und der ganz normale Wahnsinn

Titel: Männer und der ganz normale Wahnsinn
Autoren: Karen Templeton
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wahrscheinlich eine unangebrachte Reaktion ist, schließlich fragt mich gerade ein Polizist, wo mein Verlobter abgeblieben ist. Ich blicke hoch und sehe, dass Nicky und sein Zwilling schon wieder so düster blicken, während er seine – ihre – Arme verschränkt. Ich setze einen irgendwie nüchternen Gesichtsausdruck auf.
    „Scheint so, dass seitdem auch sonst niemand Munson mehr gesehen hat“, sagt er. „Seine Eltern haben ihn als vermisst gemeldet.“
    Ich spüre, dass meine Augenbrauen versuchen, in die Höhe zu schießen. „Jetzt schon?“
    „Ich weiß, das ist ein wenig verfrüht. Und wahrscheinlich eine riesige Zeitvergeudung, denn mein Instinkt sagt mir – entschuldige, dass ich so offen spreche –, dass diesem Kerl nichts passiert ist. Er hat einfach kalte Füße gekriegt. Aber Leute wie Bob Munson sind gut darin, immer große Wellen zu schlagen.“ Nicky schaut sich in meinem Studio-Apartment um, wofür er etwa drei Sekunden braucht. „Ganz bestimmt wollte dein künftiger Mann nicht zu dir in diesen Hamsterkäfig ziehen?“
    Ich ignoriere den Spott in seiner Stimme. Na gut, das Zimmer mit all meinen Büchern, Pflanzen, dem riesigen Zeichentisch, meinem Computer nebst üblichem Zubehör, dem Fernseher, der Stereoanlage, dem Bettsofa, den beiden Sesseln, meinem Trimmrad, dem Couchtisch, den Bistrostühlen und den fünf zusammenpassenden Gepäckstücken von Land’s End mag für das ungeübte Auge ein wenig voll gestopft wirken.
    „Ich hatte beschlossen, das Apartment zu behalten, für den Fall, dass ich gelegentlich in der Stadt übernachten muss. Der Großteil meiner Kleider ist aber schon in unserem neuen Haus …“ Meine Kinnlade fällt herunter. „Willst du vielleicht sagen, dass ich etwas mit Gregs Verschwinden zu tun haben soll?“
    Normalerweise bin ich etwas schneller von Begriff. Ich schwör’s.
    Als ich das sage, lässt sich Nicky auf einer Ecke meines Couchtischchens nieder und blickt mir direkt in die Augen. „Es spielt keine Rolle, was ich denke. Der Himmel weiß, dass ich mir diese lächerliche Theorie bestimmt nicht ausgedacht habe. Und mehr ist es auch nicht, glaub mir. Aber auf jeden Fall …“, er durchforstet seine Tasche nach einem schmalen Notizblock und einem Bic-Kugelschreiber, „… beschuldigt dich hier niemand, okay? Es ist nur so, nachdem er dich hat sitzen lassen, hättest du ein Motiv. Ich meine für den Fall, dass …“
    Ich umklammere die Lehne meines Sofas (von Pottery Barn, preiselbeerfarbener Samt, drei Jahre alt) und konzentriere mich so lange auf Nicky, bis es nur noch einen von ihm gibt. „Hey. Ich bin dort fast durchgedreht“, sage ich und deute ungefähr in Richtung Midtown, „das war nicht vorgespielt. Ich kann überhaupt nichts vorspielen“, füge ich hinzu, was mit einem kurzen Hochziehen der Augenbrauen belohnt wird. „Davon abgesehen weiß sogar ich, dass es keinen Mord gibt ohne eine Lei…“, ich rülpse, „…che.“
    Ich hoffe, das hat nicht so blasiert geklungen, wie ich befürchte.
    Nicky sieht mich mit zweifelndem Blick an. Aber dann sagt er: „Niemand hat etwas von einem Mord gesagt, Ginger. Ich versuche nur, das Puzzle zusammenzusetzen. Wir wollen nichts anderes, als den Typ finden und seinen nervigen Vater loswerden.“
    „Nun, und warum verdächtigt ihr mich?“ Wenn ich nüchtern bin, kann ich ziemlich überzeugend so tun, als ob ich böse bin. Aber jetzt, wo definitiv die Möglichkeit besteht, dass meine Sprache etwas verwaschen klingt, kommt das vermutlich nicht so überzeugend rüber, wie ich es gehofft habe. Nickys lange, seidige Wimpern lenken mich einen Moment ab, dann fahre ich fort: „Natürlich … jetzt habe ich ein Motiv. Nachdem er mich hat sitzen lassen. Aber davor hatte ich keines. Ich meine, hör mal … warum sollte ich den Mann um die Ecke bringen, der mir meinen ersten multiplen Orgasmus beschert hat?“
    Ich versuche noch, meinen Mund mit der Hand zu bedecken, doch leider verfehle ich die richtige Stelle und schlage mir aufs Kinn.
    Nicky legt Block und Stift beiseite. In seinen kristallklaren Augen erblicke ich … Ehrfurcht. Respekt. Und fast kommt es mir so vor, als fühle er sich ein klein wenig herausgefordert. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass dieser Mann wie schokoladenüberzogenes Testosteron ist, woraufhin ich mir wirklich Leid tue, denn was hätte wohl alles passieren können, wenn er mich vor all den Jahren tatsächlich angerufen hätte. Erst dann fällt mir ein, dass Nicky a) Polizist ist und
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