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Hexennacht

Hexennacht

Titel: Hexennacht
Autoren: Robert Asprin
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Samlor hil Samt
Die Suche
    David Drake
    »Ha!« rief der beysibische Henker, und die Klinge in seiner Linken sauste herab. Die Zeigefingerspitze seines Opfers flog dreißig Fuß über den Basar und schlug gegen Samlors Stiefel. »Ha!« Die Klinge in der Rechten des Scharfrichters hieb durch den Mittel- und den Ringfinger, so daß die Hand des Opfers in einer geraden blutigen Linie endete.
    Der Versteigerungsstand in der Mitte des Basars wurde nicht zum erstenmal als Richtstätte benutzt, doch diese Art der Bestrafung hatte Samlor hil Samt noch nicht gesehen. Das galt auch für viele der alteingesessenen Bürger Freistatts, wie aus ihren Gesichtern abzulesen war. Das Opfer, eine Frau, war mit ausgestreckten Armen und Beinen an eine hölzerne Wand gebunden. Eine solche Szenerie vermittelte den Zuschauern ein deutlicheres Bild von der meisterhaften Arbeit des Henkers, als es auf einem gewöhnlichen waagrechten Richtblock möglich gewesen wäre. Und der Beysiber - Lord Tudhaliya, wenn Samlor den Namen recht verstanden hatte - verstand ohne Zweifel sein Handwerk.
    Tudhaliya ließ seine Schwerter kreisen, während er selbst wie im Tanz herum wirbelte. Die Klingen blitzten. Der Beysiber verbeugte sich vor der Menge und ließ eine Serie von raschen Hieben folgen. Es war eine herablassende Geste, ein spöttisches Zugeständnis an die Zuschauer, denen die Gunst zuteil wurde, ihn bei seiner Arbeit beobachten zu dürfen. Er wäre niemals höflich zu ihresgleichen gewesen. Für diesen öffentlichen Auftritt hatte er sich bis auf ein Tuch entkleidet, das sein Geschlecht straff bedeckte und genug Bewegungsfreiheit bot. Er war in einer Sänfte zum Richtplatz gekommen und hatte eine Gefolgschaft brokatgewandeter Beysiber mitgebracht, die sich mit ehrerbietigen Mienen um ihn aufgebaut hatten, während er dem schreienden Opfer die Finger stückchenweise abtrennte.
    Nun, mit den Herrschenden Freistatts hatte Samlor nie zu schaffen gehabt. Bei allen Göttern! Wie der cirdonische Karawanenmeister nun wünschte, daß er auch sonst mit dieser verdammten Stadt nichts zu tun hätte.
    Erste Auskünfte hatte er für ein Kupferstück von einem Jungen erhalten, der sie ebenso gut zu verkaufen verstand wie das harte Brot, das er in einer Schüssel auf dem Kopf trug. Der Name einer Seherin, einer S’danzo, deren Beschützer ein Schmied war? O ja, Illyra war noch in Freistatt - und Dubro der Schmied auch, wenn der fremde Herr seiner Dienste bedurfte.
    Was Samlor vorhatte, betraf nicht den Schmied, aber es war gut, Bescheid zu wissen. Bevor er in die Bude trat, hakte der Cirdonier seine Daumen in seinen Gürtel und ruckte ihn ein Stück zur Seite. Das erschien ihm weniger offensichtlich, als das Messer selbst zu ziehen und griffbereit nach vorn zu stecken.
    »Willkommen, Herr«, sagte die Frau, die auf einem Stuhl die Karten gelegt hatte. In ihrer Reichweite befand sich die übliche Ausstattung ihrer Zunft und ein Tisch, den sie zwischen sich und die niedrigere, gepolsterte Sitzgelegenheit für die Kundschaft schieben konnte. Die junge Frau musterte ihn mit scharfen Augen, als er den Muschelvorhang geräuschvoll zur Seite schob. Der Cirdonier wußte, daß solch ein kurzer, abschätzender Blick meist genug Informationen für das anschließende Hand- oder Kartenlesen oder das Deuten von Bildern auf einer bewegten Wasseroberfläche enthüllte.
    »Ihr wollt Gewißheit über eine glückliche Rückkehr ...« Samlors ausdruckslose Miene war ein offenes Buch für sie. »Nein, Ihr habt keine Reise im Sinn, aber eine Frau. Setzt Euch. Die Karten, wenn ich vorschlagen darf?« Mit der linken Hand legte sie die Karten auf, diese prächtigen bedeutungsvollen Zeichen, die für viele ein ebenso klarer Spiegel des Universums waren wie die eisigen, funkelnden Sterne am Firmament.
    »Lady«, sagte Samlor. Er streckte ihr die Linke entgegen und öffnete die Faust. Sie enthielt ungeprägtes Münzsilber, das gewogen und mit Stempel versehen wurde, sobald es auf einen beysibischen Markt gelangte. »Ihr habt einem Mann, den ich traf, die Wahrheit geweissagt. Auch ich suche eine Wahrheit, eine, die Ihr nicht aus meinem Gesicht lesen könnt.«
    Die S’danzo musterte den Karawanenmeister erneut, noch immer einladend lächelnd, doch mit neuem Interesse. Samlors Stiefelabsätze waren hoch genug für guten Halt in den Steigbügeln, flach genug für bequemes Gehen und mehr von scharfkantigen Steinen denn von Straßenpflaster abgetreten.
    Er war untersetzt und nicht mehr jung,
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