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Maedchenmoerder Ein Liebesroman

Titel: Maedchenmoerder Ein Liebesroman
Autoren: Thea Dorn
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nicht, ob es schon mal jemandem gelungen ist, sich mit einem Kettenblatt die Pulsadern aufzuschneiden.
    Natürlich habe ich auch an Flucht gedacht. Aber der Raum war tatsächlich fensterlos. In den Minuten - oder waren es doch eher Stunden gewesen? -, die ich mit meinem Peiniger verbracht hatte, hatte ich genügend Geistesgegenwart besessen, nach Fluchtwegen Ausschau zu halten. Doch die Tür war aus Stahl, und ich hatte gehört, wie er sie beim Verlassen zweimal abgeschlossen hatte. Meine Kleider hatte er außerdem mitgenommen. Ich fror.
    Und dann machte ich eine eigenwillige Erfahrung: So nackt, zitternd und geschändet, wie ich war - mir fiel tatsächlich dieses altmodische Wort ein, das ich sonst nur aus dem Deutsch-Leistungskurs kannte, in dem wir die Dreigroschenoper gelesen hatten und Mackie Messer in seiner berühmten Ballade singt: »Wachte auf und war geschändet, oh Mackie, welches war dein Preis?« - während mir diese Zeile im Kopf herumspukte, fiel mir auf, dass ich mich nicht länger vor der Matratze ekelte, auf die mich mein Peiniger geworfen hatte, sondern sie im Gegenteil beinahe als etwas Tröstliches empfand. (Ich will nicht vorausgreifen, aber in der kommenden Zeit sollte ich immer wieder die Erfahrung machen, dass Dinge, die mir bislang als der Gipfel des Ekligen erschienen waren, plötzlich alles Abstoßende verloren. Inzwischen nenne ich das meine private Relativitätstheorie.)
    Das Scheusal hatte mir versichert, dass ich seinen Keller nicht lebend verlassen würde. Mein Schicksal würde sein, von ihm für was auch immer so oft benutzt zu werden, wie es ihm gefiel. Sobald er die Lust an mir verlor, würde er mich »entsorgen«. Das waren seine Worte gewesen. Zum Schluss hatte er noch gedroht, dass es an mir liegen würde, wie schnell er die Lust verlor. Allerdings wusste ich nicht recht, was ich mit dieser Drohung anfangen sollte. Ohne die Dinge bereits so zu durchschauen, wie ich sie heute - auch dank meiner Therapeutin - durchschauen kann, hatte ich damals bereits den Verdacht, dass er eigentlich nicht gemeint haben konnte, dass ich seine perversen Spielchen williger mitspielen sollte. Denn auf dieser Welt gibt es doch so viele Perverse, auch perverse Frauen, dass er - zumal mit seinem Aussehen - leicht eine gefunden hätte, die alles mit sich hätte machen lassen. Im schlimmsten Fall hätte er ihr Geld dafür bezahlen müssen. (Damals wusste ich noch nicht, dass er bankrott war. Der Porsche hatte mich zu der Annahme verleitet, er müsse reich sein.) Wirklich »mitspielen« konnte er also nicht meinen. Ich vermutete, dass ich mich stärker wehren sollte. Dass ich beim ersten Mal einen Fehler gemacht hatte, indem ich alles einfach über mich ergehen ließ. Außer meinen frühen »Neins« hatte ich nämlich keinen Widerstand mehr geleistet. Und wahrscheinlich war es gerade das, was er suchte: Widerstand.
    Doch nachdem ich mit meinen Gedanken an diesem Punkt angelangt war, stellte sich mir wieder die grundlegende Frage: Wollte ich überhaupt, dass er noch lange Lust an mir fand? Wäre es nicht besser, rasch »entsorgt« zu werden? Und obwohl ich mir darunter nichts Genaues vorstellen konnte, wuchs in mir, je länger ich darüber nachdachte, die Überzeugung, dass es weniger schlimm sein müsse, »entsorgt« zu werden als weiter Gegenstand seiner Lust zu sein.
    Ich habe nie besonders auf Schlitzer- oder Splatterfilme gestanden. Obwohl ich zum Glück also keine konkreten Bilder vor Augen hatte, was Menschen den Körpern anderer Menschen antun können, ahnte ich, dass mein Peiniger mich vielleicht noch grausamer behandeln würde, wenn ich ihn langweilte. Dass es also doch mein oberstes Ziel sein musste, ihn nicht zu enttäuschen. Und plötzlich verlor die Vorstellung, »entsorgt« zu werden, ihren Trost und wurde zum Horror, den es um jeden Preis zu vermeiden galt. (Ich wusste damals noch nicht, dass er die Mädchen vor mir erwürgt und in einsamen Waldstücken abgelegt hatte, zum Ende hin also eine fast schon friedliche Methode benutzt hatte.) Es machte mich wahnsinnig, nicht zu begreifen, was er von mir erwartete. Vielleicht war die Sache mit dem Widerstand ja völliger Unsinn? Hatte er mich nicht am allerheftigsten geschlagen, als ich die wenigen Male »nein« gesagt hatte? Erwartete er nicht vielleicht doch, dass ich so tat, als würde ich alles, was er mit mir anstellte, mögen? Oder wollte er, dass ich ihn auf Knien um Gnade anflehte?
    Meine Gedanken hüpften hin und her und drehten und
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