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Maedchenmoerder Ein Liebesroman

Titel: Maedchenmoerder Ein Liebesroman
Autoren: Thea Dorn
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verwickelten sich, als würde ich nicht in einem Folterkeller liegen, sondern im Pausenhof mit anderen Mädchen Gummitwist spielen, wie ich es früher gern getan hatte.
    Ich stellte mir vor, wie es wäre, tot zu sein. Ich malte mir aus, wen ich am meisten vermissen würde. Meinen Vater? Meine Mutter? Oder doch meine Tinka, die beste Seele von einem Hund, die es je auf diesem Planeten gegeben hat? (Ich wünschte, Sie könnten sie sehen, wie sie jetzt neben mir liegt. Anfangs habe ich überlegt, ob ich sie wirklich nach Berlin mitnehmen soll, schließlich ist sie nicht mehr die Jüngste, und Berlin ist eine fremde Stadt. Aber der Gedanke, meine Tinka noch einmal im Stich zu lassen, hat so weh getan, dass ich sie einfach mitnehmen musste .)
    Die allergrößte Sehnsucht, die ich in jener Nacht verspürte, war die nach Licht und Luft. Ich war schon immer gern in der Natur gewesen, und die Vorstellung, womöglich nie wieder einen Baum oder die Sonne zu sehen, nie wieder die saubere Luft unmittelbar nach einem Sommerregen - oder wenigstens frische Luft überhaupt - zu atmen, ließ mich fast ersticken. Ich hatte jetzt schon jegliches Zeitgefühl verloren, hatte keine Ahnung, ob es Morgen, Tag oder wieder Nacht war.
    Zu meinem Geburtstag im Juli hatte mein Vater mir die komplette Ausgabe von Marcel Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit geschenkt. (Immerhin hatte ich ihn überzeugen können, mir nicht das französische Original, sondern wenigstens die deutsche Übersetzung zu schenken. Trotzdem muss ich gestehen, dass ich nur ein bisschen darin herumgeblättert habe. Wieso soll ich mehrere tausend Seiten über einen Mann lesen, der mir zu Beginn seines Romans nichts Spannenderes zu erzählen weiß, als dass er lange Zeit früh schlafen gegangen ist? Außerdem hat es mich geärgert, dass mein Vater mir in seiner großspurigen Art vermittelt hatte, ich müsse dieses Buch lieben.) Deshalb wunderte ich mich sehr, dass mir seit einer ganzen Weile der Titel des zweiten Bandes durch den Kopf geisterte: Im Schatten junger Mädchenblüte . Doch wie ein Kaugummi sich nur immer schlimmer zwischen den Fingern verklebt, je mehr man sich bemüht, ihn abzustreifen, so hoffnungslos war es, jenen Titel wieder loszuwerden. »Mädchenblüte«! Was wollte ich mit diesem affektierten Wort! Sollte es überhaupt eins geben, mit dem sich meine jetzige Lage beschreiben ließ, dann sicher nicht dieses. Falls ich überhaupt noch etwas war, war ich »Mädchenlaub«.

Aufbruch
    Ich will der Polizei keinen Vorwurf machen. Obwohl man natürlich verrückt werden könnte, weiß man, dass zu dem Zeitpunkt, als ich unten im Keller lag, zwei Beamte oben an der Haustür meines Peinigers klingelten.
    Wie bereits angedeutet: Ein Zeuge hatte die später ermordete Janina Berger Anfang Juni an der Autobahnraststätte Frechen in einen zitronengelben Porsche steigen sehen. An dieser Autobahnraststätte schien sie sich öfter herumgetrieben zu haben.
    Ein weiterer Gedanke, der zu nichts führt, ist die Frage, ob mir das alles erspart geblieben wäre, hätte Janina ihre Ausbildung zur Friseurin beendet, anstatt auf den Strich zu gehen. Ich will damit nur sagen, dass die Öffentlichkeit sich vielleicht mehr für den Fall interessiert hätte, hätte in dem Wald bei La Roche-en-Ardenne eine tote Friseurin und nicht eine tote Prostituierte gelegen. Der Druck auf die Polizei wäre größer gewesen. Auch der Druck zuzugeben, dass die Lütticher Studentin, die ein Luxemburger Jäger wenige Wochen zuvor im Wald bei Wilwerwiltz gefunden hatte, vermutlich von ein und demselben Täter ermordet worden war. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob die Polizei vor meiner Entführung überhaupt schon eins und eins zusammengezählt hatte. Sprich: Vielleicht wusste sie gar nichts von der belgischen Mädchenleiche in Luxemburg. Ein Mörder, der Mädchen in unterschiedlichen Ländern ermordet, hat ein äußerst leichtes Spiel - zumal, wenn er die Leichen in wieder anderen Ländern ablegt. Im Kino hätte es sicher einen supersmarten »Eurocop« gegeben, der sofort gewittert hätte, dass das belgische Mädchen in Luxemburg vom selben Mann getötet worden sein muss wie das deutsche Mädchen in Belgien. In Wirklichkeit: Pustekuchen. Da waren ein deutsches und ein belgisches und ein luxemburgisches Polizeiteam mit ihren jeweiligen Fällen befasst. Und keiner hatte eine Ahnung, was der andere tat.
    Ein weiteres heikles Thema in diesem Zusammenhang: Mein Peiniger behauptete mir gegenüber
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