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Maedchenmoerder Ein Liebesroman

Titel: Maedchenmoerder Ein Liebesroman
Autoren: Thea Dorn
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bereits begonnen, die erste Lektion von Geiselopfern zu lernen: Sei dankbar für alles Gute, was dein Entführer dir tut . In der Schule hatten die Lehrer stets meine »Störrischkeit« beklagt. In den kommenden zwei Wochen sollte aus mir eine brave Schülerin werden.
    Ach ja: Und dann fiel mir noch »Dekan« ein. Mit diesem Wort verabschiedete ich mich aus meinem bisherigen Leben.
     
     
    Ich erwachte in einem schwarzen, vollkommen lichtlosen Raum. Es stank. Nach Schweiß. Ein bisschen so, wie es in den Jungsumkleiden beim Sport gerochen hatte. Und ich roch noch etwas anderes, das ich erst nicht benennen konnte. Während meiner Bewusstlosigkeit musste ich mich übergeben haben, das merkte ich an dem sauren Geschmack in meinem Mund. Und meine Jeans waren nass. Die neuen, engen Jeans, in denen ich mich früher am Abend noch so lange vor dem Spiegel gedreht hatte, weil ich mir nicht sicher gewesen war, ob sie nicht doch eine Falte am Po machten. Aber auch das war es nicht, was ich roch.
    Heute weiß ich: Es war Angst. Und zwar nicht einmal meine. Die war zu frisch, um so zu riechen. Es war kalte, abgestandene Angst. Die Angst der Mädchen, die vor mir in diesem Loch gefangen gehalten worden waren. Als ich den Keller später mit den Polizisten noch einmal betreten musste, konnte ich sie sofort wieder riechen. Die Polizei hat bis heute nicht herausgefunden, wie lange die anderen Mädchen dort tatsächlich gelitten haben. Eine Nacht? Eine Woche? Einen Monat? In jedem Fall muss es lange genug gewesen sein, damit ihre Angst in jede Ritze der nackten Betonwände dringen konnte. Mir gegenüber hat mein Peiniger behauptet, er hätte sie wochenlang in diesem Keller eingesperrt. Aber ich bezweifle, ob das stimmt. Vermutlich hat er das nur gesagt, um mir noch mehr Angst einzujagen.
    Mein erster Gedanke war, als ich zu mir kam: Das ist ein Missverständnis! Es muss eineVerwechslung sein! Ich versuchte, in meinen Körper hineinzulauschen, ob sich irgendetwas komisch anfühlte. Aber mein Körper war wie taub, oder genauer: Es war das Gefühl, wie wenn man im Winter kalte Hände hat und diese in heißes Wasser taucht. Das Ameisengefühl. Dennoch war ich nach einer Weile sicher, dass der Mann mir bislang nichts getan hatte. Meine nassen Jeans klebten an meinen Oberschenkeln, das konnte ich fühlen, auch mein langärmliges T-Shirt schien nicht zerrissen zu sein - soweit ich das in der absoluten Dunkelheit ertasten konnte. Was wollte er von mir?
    Es musste um Geld gehen. Und plötzlich begriff ich, was geschehen war: Der Mann hatte mich mit Carina verwechselt! Carinas Eltern sind ziemlich reich, der renovierte Bauernhof in der Eifel, auf den sie mich einmal eingeladen haben, hat sogar einen Pool mit einem Dach, das man im Sommer auffahren kann. Meine Mutter dagegen ist nicht reich. Bis zu meiner Entführung hat sie in einem Reisebüro gearbeitet. Und mein Vater ist zwar Professor, aber Millionen hat er auch keine auf dem Konto. Es musste also eine Verwechslung sein. Alles andere ergab überhaupt keinen Sinn . Mein dummes Herz fing an zu hoffen.
    Erst da merkte ich, dass ich nicht gefesselt war. Auch das ließ mich Hoffnung schöpfen. Vorsichtig auf allen vieren begann ich, mein Gefängnis zu erkunden. Der Boden musste Beton sein, so rau, wie er sich anfühlte. Ich war vielleicht einen oder höchstens zwei Meter gekrabbelt - Entfernungen sind in der absoluten Dunkelheit schwer zu schätzen, ebenso wie einem das Gespür für Zeit abhanden kommt, (vielleicht sind Sie schon einmal ohne Licht durch einen unterirdischen Gang oder langen Tunnel gelaufen - da konnten Sie nach wenigen Sekunden doch auch nicht mehr sagen, wie weit Sie sich schon bewegt hatten) - ich glaubte also, höchstens zwei Meter gekrabbelt zu sein, als ich gegen ein Hindernis stieß. Ich tastete mit den Händen daran herum und hätte beinahe gelacht. Es war ein Fahrrad!
    Der Mann war gar kein Profi-Entführer, sondern hatte mich einfach in seinen Fahrradkeller geworfen! Ich erforschte das Fahrrad, wie wir es mit unbekannten Gegenständen und zugebundenen Augen bei einer Improvisationsübung in der Theater-AG gemacht hatten: Die Reifen erschienen mir sehr dünn - aha, vermutlich ein Rennrad. Ich tastete die Speichen ab, fand oben kein Schutzblech - also wohl tatsächlich ein Rennrad. Ich suchte die Pedale, die nur so ein merkwürdiger Knopf war (heute weiß ich, dass man das »Klickpedale« nennt), und erschrak ein wenig, als ich in die ölige Kette griff - aber nicht sehr,
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