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Maedchenmoerder Ein Liebesroman

Titel: Maedchenmoerder Ein Liebesroman
Autoren: Thea Dorn
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weil ich ja damit gerechnet hatte. Es beruhigte mich, in dieser Dunkelheit einen Gegenstand gefunden zu haben, von dem ich mir ein Bild machen konnte. Dass mein Bild nicht ganz richtig war und dass dieses Fahrrad nicht zufällig herumstand, sondern zu den perversen Spielchen gehörte, die mein Peiniger sich ausgedacht hatte, konnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen.
    Mutiger geworden erkundete ich weiter den Raum. Ich stieß gegen etwas, das bullernd umfiel. Plastikeimer, versuchte mein Hirn mein erschrockenes Herz zu beruhigen: Es ist nur ein Plastikeimer . Schließlich ertastete meine Hand etwas Weiches, das mich nicht so erschreckte wie der Eimer. Dennoch zuckte ich zurück. Und dann setzte mein Herz einige Schläge aus. Das, was meine Finger berührt hatten, fühlte sich nach Stoff an. Ein wenig feucht, klamm, schwer. Was, wenn...
    Ich vermute, dass ich zu wimmern begann. Was immer sich unter dem Stoff verbarg - es gab keinen Laut von sich. Nach einer Weile zwang ich mich, meine Hand noch einmal auszustrecken. Und diesmal gelang es meinem Hirn, die Tasteindrücke zusammenzusetzen. Es war eine Matratze. Eine dünne, ganz sicher speckige, alte Matratze. Einerseits war ich erleichtert, dass sich das unbekannte Weiche nicht als das herausgestellt hatte, wofür ich es gehalten hatte. Andererseits ekelte ich mich. Als ich noch ein Kind gewesen war, hatten die Nachbarjungs bei meinen Großeltern mich in den Wald zum Spielen mitgenommen. Sie hatten mir dort die Laubhütte gezeigt, die sie gebaut hatten. Und in dieser Laubhütte hatte ein altes Sesselpolster gelegen. Ich hatte mich tapfer neben die Jungs auf das Polster gesetzt, auf dem Käfer und andere Insekten herumkrabbelten. Ich hatte mich nicht getraut zu sagen, wie sehr ich mich vor diesem Polster ekelte, aus Angst, die Jungs würden mich auslachen.
    Über die Matratze freute ich mich also deutlich weniger, als ich mich über das Fahrrad gefreut hatte. Und dies hatte nicht nur mit meinem Ekel vor speckigen Polstern zu tun, sondern damit, dass sich in meinem Hinterkopf die Frage bildete: Was macht eine Matratze in einem Fahrradkeller? Denn ich war doch sicher, aufgrund einer blöden Verwechslung in einem an und für sich harmlosen Fahrradkeller gelandet zu sein.
    Ich beschloss, mich ein wenig auszuruhen. Vielleicht war es auch die Angst vor neuen Entdeckungen, die mich davon abhielt, mein Gefängnis weiter zu erkunden. Meine Knie und vor allem meine Hände waren aufgeschürft - eine weiche Unterlage wäre also durchaus willkommen gewesen. Dennoch rollte ich mich in sicherem Abstand zu der Matratze auf dem nackten Betonboden ein. Ich gab mir Mühe, nur an das Fahrrad zu denken. Bei meinem ersten Fahrversuch vor vielen, vielen Jahren, nachdem mein Großvater die Stützräder abgeschraubt hatte, war ich direkt in die Brombeerbüsche gesaust. Die Erinnerung vermochte mich ein bisschen aufzuheitern und beruhigte meine Angst so weit, dass ich in eine Art nervösen Schlaf fiel.
     
     
    Ich versuche, mich an meine Gedanken zu erinnern, als ich das Gesicht meines Entführers zum ersten Mal richtig sah. Die Fotos, die die Medien von ihm veröffentlicht haben, vermitteln ein völlig falsches Bild. Entweder sind es diese passbildartigen Dinger, auf denen er aussieht, als würde seine Mutter ihm die Hemden bügeln. (Was sie nie getan hat.) Oder es gibt dieses andere Bild - das alle Zeitungen gedruckt haben, Sie kennen es bestimmt -, wo er völlig erledigt irgendwo in Frankreich auf dem Rad sitzt und wirklich wie ein Wahnsinniger ausschaut. Auch das zeigt wieder, wie die Medien arbeiten: Sie haben eine bestimmte Vorstellung davon, wie ein Mann aussehen muss, der Lust daran hat, Mädchen zu foltern und zu töten. Oder besser gesagt: Sie haben eine bestimmte Vorstellung davon, wie ein solcher Mann nicht aussehen kann. Aber die Wahrheit ist, dass er genau so aussah. Wie gern würde ich Ihnen berichten, dass es ein Monster war, das mich entführt hat. Wie gern würde ich schreiben, dass er schmierig aussah, widerlich, gestört. Oder wenigstens: schmierig, widerlich, gestört normal . Aber das alles ist nicht der Fall. Mein Entführer sah außergewöhnlich gut aus. Sportlich. Blond.
    Die Medien haben nur ein Bild veröffentlicht, auf dem er ungefähr so ausschaut, wie ich ihn in Erinnerung habe: Es zeigt ihn in jenem Moment, in dem er das einzige Rennen seiner Karriere gewinnt und mit emporgerissenen Armen über die Ziellinie fährt.
    Wenn ich versuche, meinen allerersten
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