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Maedchenmoerder Ein Liebesroman

Titel: Maedchenmoerder Ein Liebesroman
Autoren: Thea Dorn
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nicht so gut gegangen. Ich war sehr unzufrieden mit mir gewesen, vor allem mit meinem Körper, den ich viel zu fett und schwammig fand. Deshalb hatte ich begonnen, ein wenig an meinen Oberschenkeln herumzuritzen. Nicht an den Handgelenken oder so. Es hatte mir einfach gut getan, dieses weiße Fleisch zu verletzen.
    Mein Peiniger entdeckte die Narben sofort. Ich hatte das Gefühl, dass sie ihn erregten. Meine Therapeutin vermutet, dass ihm die Narben eher »den Wind aus den Segeln« genommen hätten. Weil es die meisten Sadisten angeblich frustriert, wenn sie sehen, dass ihr Opfer bereit ist, sich selbst Schmerzen zuzufügen. Irgendwie soll es in der Logik solcher Menschen weniger Spaß machen, ein Mädchen zu quälen, das sich selbst quält, als eins, das um keinen Preis gequält werden will. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das richtig wiedergebe. So ganz habe ich die Argumentation meiner Therapeutin nicht verstanden.
    Als ich endlich in der gepunkteten Unterwäsche auf dem Podest stand, fragte er mich, ob ich wisse, wem diese gehöre. Ich verneinte die Frage, weil ich tatsächlich ahnungslos war.
    Obwohl ich zu dieser Zeit noch nicht Opfer der Medien gewesen bin, habe ich auch damals schon keine Zeitungen oder Zeitschriften gelesen. Ich habe ein bisschen ferngesehen, aber auch nicht besonders viel. Deshalb hatte ich nichts gehört von den beiden Mädchenleichen, die im April und Juni in Waldstücken in Luxemburg und den belgischen Ardennen gefunden worden waren. Wie ich später erfuhr, hatten die Medien auch nicht groß darüber berichtet. Die Sache war während der WM untergegangen. Oder - wie ein Journalist später zu Recht anklagend schrieb: Wahrscheinlich hatte die Polizei schon den Verdacht gehabt, dass ein Serienmörder unterwegs sein könnte, aber während der WM wollte sie keinen großen Wirbel machen. Und in den Wochen unmittelbar vor meiner Entführung war ja auch keine neue Leiche mehr aufgetaucht.
    Inzwischen weiß man, wer die beiden Mädchen gewesen sind, die in den Waldstücken gefunden wurden. Die erste hieß Sandrine Roubaix, einundzwanzig Jahre alt, eine Studentin aus Lüttich. Die zweite hieß Janina Berger, sie war so alt wie ich, also neunzehn. Eigentlich hatte sie eine Ausbildung zur Friseurin begonnen, dann aber zu viele Drogen genommen und war auf dem Strich gelandet. Ein Zeuge behauptete später, sie sei freiwillig in den zitronengelben Porsche gestiegen.
    Die Unterwäsche mit den rosa Punkten, die ich mir ausgesucht hatte - und die mir ein wenig zu groß war, vor allem der BH -, hatte Sandrine Roubaix gehört. Das offenbarte mir mein Peiniger in jener Nacht. (Die Polizei hat später herausgefunden, dass er nicht gelogen hat.)
    Möglicherweise hat es zu meiner Rettung beigetragen, dass ich von den beiden Morden nichts gehört hatte. Ich glaubte wahrzunehmen, dass mein Peiniger ein wenig enttäuscht war, als er den Namen Sandrine Roubaix aussprach und ich nicht stärker zu zittern begann, als ich ohnehin schon zitterte, weil es in dem Keller trotz der warmen Außentemperaturen ziemlich kalt war. Allerdings ließ er den Namen nicht lange im Raum schweben. Wütend erklärte er mir, was er mit dieser »F…« alles gemacht habe. Und dass er beabsichtige, mit mir dasselbe zu tun.
     
     
    Ich weiß wirklich nicht, wie ich über diese Dinge schreiben soll. Ich kann und will nicht im Detail nacherzählen, was in jener Nacht geschah. Aber wenn ich es nicht tue, gehen die unglaublichen Vorwürfe weiter, ich wolle mich nur wichtig machen, denn in Wahrheit sei mir doch gar nichts so Schreckliches widerfahren. Schließlich sei ich mit einem »blauen Auge« davongekommen.
     
     
    Gestatten Sie, dass ich jenen grässlichen Keller für einen Moment verlasse. Nicht, um Luft zu schnappen. Sondern um meiner Wut Luft zu machen. Meiner Wut darüber, wie die Medien mit mir umgesprungen sind. Und immer noch umspringen. Bis heute kann ich nicht begreifen, was geschieht. Wie kann es sein, dass ich in den Tagen nach meiner Rückkehr das »arme Opfer« war, das durch ein »unvorstellbares Wunder« und »Gott sei Dank« überlebt hatte? Das Opfer, das alle bemitleideten, für das Spendenkonten eingerichtet wurden und so weiter und so weiter. Wie kann es sein, dass ich dann - obwohl meine Geschichte doch dieselbe ist und es ewig bleiben wird - wie kann es sein, dass ich dann plötzlich nicht mehr »das Opfer« war, sondern »eine verwirrte junge Frau«, an deren Geschichte »berechtigte Zweifel« angebracht
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