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Maedchenmoerder Ein Liebesroman

Titel: Maedchenmoerder Ein Liebesroman
Autoren: Thea Dorn
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abziehen konnte und ein flacher Stecker zum Vorschein kam. Ich ging davon aus, dass es irgendwelche alten elektronischen Geräte sein mussten. Eine Freundin, die sich mit Computern besser auskennt als ich, klärte mich auf, dass es sich um so genannte » Memory Sticks « handeln würde - Medien zur Datenspeicherung, die zu Beginn dieses Jahrhunderts sehr verbreitet gewesen seien. Dieser Freundin gelang es auch, die Dokumente, die sich auf den » Memory Sticks « befanden, zu öffnen.
    Mein Deutsch ist viel zu schlecht, als dass ich die Texte, die meine Mutter vor über dreißig Jahren geschrieben hat, hätte lesen können. Ich erkannte nur, dass es sich bei dem einen Dokument um Liebesbriefe handeln musste. Von dem anderen Dokument verstand ich immerhin so viel, dass meine Mutter darin ein schlimmes Verbrechen schilderte. Ein so schlimmes, dass ich sicher war, es müsste ihrer überhitzten Teenagerphantasie entsprungen sein. Mir fiel ein, dass meine Mutter einmal erzählt hatte, sie habe früher Schriftstellerin werden wollen. Und dass ich sie ausgelacht hatte deshalb.
    Es war also weniger eine Vorahnung als vielmehr Neugier, die mich beide Dokumente einem befreundeten Übersetzer geben ließ.
    Dieser rief mich wenige Tage später an, um mich zu fragen, ob ich wisse, was ich ihm für ein »Teufelszeug« in die Hand gedrückt hätte. Ich sagte ihm, ich würde vermuten, dass es sich bei den Texten um Liebesbriefe und andere literarische Jugendsünden meiner verstorbenen Mutter handelte.
    Es gab ein langes Schweigen in der Leitung. Die Stimme meines Freunde wurde sehr ernst, als er zu mir sagte: »Holly. Ich denke nicht, dass es literarische Jugendsünden sind. Ich denke, Deine Mutter schreibt in diesen Texten die Wahrheit. Und ich weiß nicht, ob Du sie lesen willst.«
    Ich fing an zu lachen. Da erklärte mir der Freund, dass ihm - als er mit dem Übersetzen begonnen hatte - der Fall jenes Mädchens ins Gedächtnis gekommen sei, das vor Jahrzehnten in Deutschland entführt und durch halb Europa verschleppt worden war. Der Fall habe damals so große Wellen geschlagen, dass sogar in den amerikanischen Medien darüber berichtet worden sei. Später habe er allerdings nie wieder etwas von dem Fall gehört. Nun habe er im Internet recherchiert. Der Name des verschleppten Mädchens sei Julia Lenz gewesen.
    Meine Gefühle in diesem Moment kann nur nachempfinden, wer selbst erlebt hat, wie sein ganzes bisheriges Leben von einer Sekunde auf die nächste zu Staub zerfällt.
    Meine Mutter hatte nie über ihre Herkunft sprechen wollen. Ich wusste nur, dass sie aus Deutschland stammte. Angeblich waren ihre beiden Eltern und ihr Verlobter bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Sie habe beschlossen, nach Amerika auszuwandern, um mich dort zur Welt zu bringen und nicht in jenem Land, in dem sie alles verloren habe.
    Bis ich an jenem Mittag im leeren Haus meiner Mutter ihre Einbürgerungsurkunde in Händen gehalten hatte, hatte ich noch nicht einmal gewusst, dass ihr ursprünglicher Name »Julia Lenz« gewesen war und dass sie sich erst in Amerika »Julie Spring« genannt hatte.
    Nie waren mir an der Geschichte meiner Mutter Zweifel gekommen. Als wir in der Schule einmal einen Aufsatz über unsere Großeltern schreiben sollten, hatte meine Mutter mir einen Brief an die Lehrerin mitgegeben, in dem sie darum bat, ihre Tochter von diesem Aufsatzthema zu befreien, da ihre Tochter keine Großeltern habe.
    Erst seit ich auf der Suche nach meiner Vergangenheit bin, weiß ich, dass mein Großvater, Dr. Eugen Lenz, ein berühmter Professor für französische Literatur gewesen ist. Seine letzten Lebensjahre hat er in Frankreich verbracht, keine hundert Kilometer von jenem Ort entfernt, in dem ich mein europäisches Domizil hatte, solange ich noch aktiv war. Über meine Großmutter, Sonja Lenz, habe ich leider nicht viel herausfinden können außer der Tatsache, dass sie vor drei Jahren in einem Altersheim in Köln gestorben ist.
    Zu erfahren, dass ich Großeltern hatte, von denen ich nichts wusste, so wie diese offensichtlich nichts von mir wussten, schmerzt. Doch dieser Schmerz verblasst im Vergleich zu den Qualen, die ich empfinde, wenn ich an jenen Mann denke, den ich wohl oder übel als meinen Vater bezeichnen muss.
    Es ist nicht leicht gewesen, Fakten über David Hoss in Erfahrung zu bringen. In den Datenbanken des Radsportweltverbands wird er von 1993 bis zu seinem Tod 2006 geführt, zunächst als Fahrer bei dem seinerzeit berühmten
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