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Maedchenmoerder Ein Liebesroman

Titel: Maedchenmoerder Ein Liebesroman
Autoren: Thea Dorn
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Sevilla entdeckte, dass an jenem Nachmittag nicht nur die üblichen Toreros in der Arena stehen würden. Sondern außer ihnen eine Torera .
     
     
    Ohne es zu wissen, hast Du von Anfang an in meinen Plänen mitgespielt. Als Du gelästert hast, dass sie auf dem Plakat einen Druckfehler gemacht haben müssten, es könne nicht sein , dass sie jetzt auch Fotzen in die Arena ließen, habe ich meine Chance gewittert. Und als Carla Rincón dann mit ihrem zweiten Stier so große Mühe hatte, dass sie auf der Flucht sogar einen Schuh verlor und ein anderer Torero ihr zu Hilfe eilen musste, und Du anfingst, sie auszupfeifen und zu höhnen, jetzt wüsstest Du endlich, was eine Fotze in der Arena verloren hat: ihre Schuhe... - da war mir endgültig klar, dass Du es tun würdest, wenn ich es nur richtig einfädelte.
    Und habe ich Dich nicht klug gereizt, indem ich Carla Rincón in Schutz nahm und Dich daran erinnerte, dass der eine Torero in Arles noch viel größere Probleme mit seinem Stier gehabt hatte?
    In Wahrheit ist es mir völlig egal, ob ein Mann oder eine Frau die armen Stiere quält. Hätte ich Dich nicht anstacheln wollen, hätte ich Dich endlos quatschen lassen, dass es nur eins gebe, was lächerlicher sei als eine Frau auf einem Rennrad - eine Frau in der Stierkampfarena. Deshalb habe ich auch bloß gelacht, als Du wieder mit dem Blödsinn kamst, ob ich jetzt einen auf »Emanze« machen wolle, und habe ganz ruhig gesagt, dass es doch eine einfache Methode gebe herauszufinden, ob die »Fotze« tatsächlich nichts tauge. Allerdings hätte ich Zweifel, dass Du Dich an eine echte Matadora herantrauen würdest. In letzter Zeit hätte ich eher den Eindruck, Du würdest es nur noch mit zugedrogten Hippies oder besoffenen Huren aufnehmen.
    Dass Du mir in diesem Moment am liebsten ins Gesicht geschlagen hättest - einzig der Umstand, dass wir in einer Arena mit zehntausend anderen Leuten saßen, hielt Dich davon ab, es zu tun -, empfand ich als Triumph. Ich sah, wie es in Deinem Gesicht zuckte, ich hörte, wie das » hey, hey, toro «, mit dem Carla Rincón den Stier herausforderte, immer herrischer wurde, und ich wusste, dass ich heute Nacht einen großen Kampf erleben würde.
     
     
    Ich kann wirklich nicht glauben, dass Du nie Carmen gesehen oder irgendeinen der Don Juans von Molière bis Max Frisch gelesen haben willst. Aber egal. Über unser Sevilla ist in diesen Stücken und Büchern ohnehin nichts zu erfahren. Zwar erinnere ich mich an die engen Gassen, durch die noch nicht einmal in Marisols albernem Cabrio richtig hindurchzukommen war, an die Kathedrale mit ihrem markerschütternden Glockenlärm, an die Springbrunnen und gekachelten Bänke, an die Sonnensegel über den Straßen, die Zitronenbäume, die geflochtenen Bastrollos und all den anderen Kram. Unser Sevilla wird jedoch für immer das verkommene Ufer des Guadalquivir bleiben.
     
     
    Durch die Ereignisse in jener Nacht habe ich begriffen, wie wir uns das Leben vorstellen müssen. Als riesiges Spinnennetz in der Finsternis, in dem wir uns alle blind vorwärtshangeln, ohne zu ahnen, auf was wir am nächsten Knoten stoßen. Es wäre Kinderzeug zu glauben, dass in diesem Netz eine fette Spinne hockt, die alle Fäden in der Hand hält. Dennoch muss es in diesem Netz etwas geben, das unsere Bewegungen beeinflussen kann. Ich sage absichtlich: kann . Denn ich bin überzeugter denn je, dass sich die höhere Macht nicht immer und nicht für jeden von uns interessiert.
    Vielleicht ist es so: Wenn mir ein Marienkäfer auf die Hand fliegt, versuche ich, ihn ins Grüne zurückzulotsen, indem ich ihm den Weg meinen Arm hinauf mit der anderen Hand versperre. Natürlich lässt sich der Marienkäfer von mir nicht einfach so dirigieren, es gibt Exemplare, die partout ihren ursprünglichen Weg beibehalten wollen, sodass es letzten Endes nur noch hilft, sie abzuschütteln. Doch nicht einmal der willige Marienkäfer hat ein Bewusstsein, dass ich ihn steuere. Könnte er sprechen, würde er vermutlich nur sagen: Die Tatsache, dass ich meine Richtung geändert habe, hat nichts damit zu tun, dass mir jemand gesagt hätte, ich solle meine Richtung ändern, sondern einzig und allein damit, dass plötzlich ein Hindernis im Weg gelegen hat. Nur in äußerst seltenen Fällen, die mich deshalb stets berühren, habe ich den Eindruck, der Marienkäfer würde ahnen, dass ich ihn steuere, und sich also nicht stumpf von mir leiten lassen, sondern weil er spürt, dass das Richtige mit ihm
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