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Maedchenmoerder Ein Liebesroman

Titel: Maedchenmoerder Ein Liebesroman
Autoren: Thea Dorn
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keinen Spaß gemacht. Die ganze Zeit habe ich überlegt, was die Tiere von jenem anderen Tier halten mochten, das » sí, ah sí « und allerlei anderen spanischen Unsinn in die Nacht kreischte und glaubte, damit sein erbärmliches Leben zu retten. Haben sie Mitleid empfunden? Oder haben sie gelacht?
     
     
    Ich bin müde. Nur eine Frage habe ich noch: Als Du verschwunden bist, um Marisols Leiche hinter einem Felsen zu verstecken, und ich den Motor des VW-Busses angelassen habe - hast Du da wirklich geglaubt, ich würde ohne Dich abhauen? (Dabei ist mir doch nur kalt gewesen, und ich habe nicht gewusst, wie die Standheizung funktioniert...)
    Warum hat Dich der Gedanke so erschreckt, dass Du mit gezückter Pistole angerannt kamst? Du hattest doch sicher längst beschlossen, den Bus stehen zu lassen und die Reise im Cabrio fortzusetzen …

Lieber David!
    Ich spüre, wie unsere gemeinsame Zeit dem Ende entgegengeht. Ich fürchte mich vor der Leere, die danach kommt.
    Vielleicht hat mein Vater Recht, und ich sollte anfangen zu studieren. Aber was? Ich kann mich nicht in überfüllte Hörsäle setzen und mir Vorträge über »Die Poetik des Wassers in der englischen Moderne« anhören …
    Wenn überhaupt, müsste es etwas Praktisches sein.Tiermedizin zum Beispiel, dann könnte ich wenigstens Tinka helfen. (Noch immer keine Neuigkeiten.) Aber der bloße Gedanke an den Papierkram, den ich erledigen müsste, um mich um einen Studienplatz zu bewerben, lähmt mich.
    Meine Haut fühlt sich an wie ein Luftballon kurz vor dem Zerplatzen. Wenn ich über meinen Handrücken streiche, könnte ich schreien vor Schmerz. Ich habe Magenkrämpfe, mein Bauch ist hart und aufgebläht und gleichzeitig bekomme ich Fressanfälle. Letzte Nacht habe ich sogar den ekligen Christstollen, den meine Mutter mir zu Nikolaus geschickt hat, in mich hineingestopft. Danach musste ich mich eine Stunde lang übergeben.
    Obwohl ich mir jetzt täglich die Oberschenkel ritze, lässt der Druck nicht nach. Ist es denkbar, dass ich so sehr mit Tinka leide, dass auch in mir ein Geschwür wächst?
    Ich weiß, ich sollte zum Arzt gehen. Aber ich will nicht. Ich kann nicht ertragen, wenn sie an mir herumdrücken und -klopfen und mit ihren Instrumenten in mich hineinschauen. Damals, nach meiner Rückkehr, wollten sie mich in der Klinik auch gleich untersuchen. Aber ich habe mich geweigert. Wie es in mir aussieht, geht niemanden etwas an. Schlimm genug, wenn sie jetzt Tinka röntgen und in ihr herumstochern.
     
     
    Mir sträuben sich die Nackenhaare, wenn ich an die Tierquälerei denke, deren Zeugin ich in Sevilla zum zweiten Mal geworden bin. Den Spießern darf ich das natürlich nicht sagen - aber in Wahrheit habe ich bei diesen Stierkämpfen mehr gelitten als bei Deinen Taten. Ist es nachts ganz still, höre ich bisweilen das Geräusch, mit dem die Stiere, wenn sie das erste Mal in die Arena stürmen, gegen die Holzplanken krachen.
    Natürlich kannst Du sagen: Wenn sich ein Stier von ein paar roten Lappen in den Tod locken lässt, ist er genauso dumm wie die » Porno Paparazzi Girls «, die sich von Deiner Kamera haben locken lassen. Aber der Stier kann nichts dafür, dass er auf die rote Farbe reagiert. Es ist seine Natur. Wohingegen sich ein Mädchen sehr wohl entscheiden kann, auf Deinen bescheuerten Trick mit der Kamera nicht hereinzufallen. Andernfalls müsste man ja bereits als » Porno Paparazzi Girl « geboren werden, und das glaube ich nicht.
     
     
    Aber warum habe ich dann kein Mitleid mit der stolzen Hermana Lucía gehabt? Sie ist doch mindestens ebenso unschuldig an dem, was ihr widerfahren ist, wie die Stiere in der Arena... Ich kann es mir nur so erklären: Sie war ein Opfer. Ein Opfer meiner Liebe zu Dir. Aber was vielleicht noch wichtiger ist: Ihr Tod war nicht einfach nur schäbig und sinnlos, ein Schluckauf im Weltgeschehen, sondern ihr Tod hat bewiesen, dass es das Schicksal gibt, aber keinen Gott. Natürlich ist ihr Tod damit noch lange nicht gerechtfertigt. Dennoch erscheint er in einem anderen Licht...
     
     
    Und in diesem anderen Licht erscheint auch der Tod von Carla Rincón. Schon in Arles hatte ich mir gewünscht, dass ein Vertreter dieser Zunft am eigenen Leib erfahren möge, wie es ist, über zwanzig, fünfundzwanzig Minuten zu Tode gequält zu werden. Aber ich hatte es für aussichtslos gehalten, Dir vorzuschlagen, zur Abwechslung einen Torero zu töten. Deshalb habe ich meinen Augen nicht getraut, als ich auf den Plakaten in
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