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Symphonie der Herzen

Titel: Symphonie der Herzen
Autoren: Virgina Henley
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Prolog
    Montagu House, London August 1894
    »Das wüsstet ihr wohl gerne, nicht wahr?« Mit einem verschwörerischen Zwinkern beugte sich die Herzoginwitwe Louisa zu ihren beiden Urenkelinnen hinüber.
    Sofort breitete sich eine verräterische Röte über die Wangen der beiden, hatten sie doch gerade darüber diskutiert, wie viele Liebhaber die temperamentvolle alte Dame in ihren achtzig Lebensjahren wohl gehabt hatte.
    Immerhin war die très grande dame die unangefochtene Herrscherin über genau einhundertundeinen Nachfahren. Das ließ natürlich gewisse Rückschlüsse zu.
    Doch die alte Herzoginwitwe besaß noch immer eine gehörige Portion Humor, und so antwortete sie mit einem verschmitzten Lächeln: »Nun, lasst es mich einmal so formulieren: Es waren so einige! Schließlich habe ich meine Jugend in der dekadenten Ära unseres hochverehrten Königs George verlebt. So etwas prägt! Die verknöcherten Moralvorstellungen von Königin Victoria jedenfalls haben nur noch sehr bedingt Eingang bei mir gefunden.«
    »Und ist es dann auch wahr, dass Ihr es einst abgelehnt habt, Königin Victoria als Mistress of the Robes zu dienen? Immerhin wärt Ihr damit die oberste Kammerfrau der Königin gewesen.« Mit bewunderndem Blick schaute Maud ihre Urgroßmutter an.
    Louisa legte den Kopf in den Nacken und stieß ein herzhaftes Lachen aus. »Ja, auch das ist wahr. Und ich habe diese Ehre nicht nur einmal abgelehnt, sondern gleich zweimal, meine Lieben. Ihr müsst bedenken, dass meine Garderobe von jeher eine meiner großen Leidenschaften gewesen ist. Ich war eben schon immer mehr für das Kostbare und Ausgefallene, wie zum Beispiel die Farbe Rot. Die öden und altbackenen Gewänder unserer verehrten Königin dagegen - Himmel Herrgott! Mir fehlen schlicht die Worte, um diese Garderobe zu beschreiben. Jedenfalls hat mich die Vorstellung, für ein solches Sammelsurium an Scheußlichkeiten verantwortlich zu sein, derart mit Grauen erfüllt, dass ich einfach ablehnen musste.«
    »Ihre Schwiegertochter, Prinzessin Alexandra, hat dagegen einen ganz vorzüglichen Geschmack, wie ich meine«, wandte Maud mit Kennermiene ein.
    »Oh ja, den hat sie. Gott sei’s gedankt. Es dürfte also wirklich eine willkommene Abwechslung sein, einmal eine Königin zu haben, die wenigstens ein klein wenig Schick besitzt. Ich kann es kaum erwarten, dass sie den Thron besteigt.«
    Die beiden Mädchen tauschten einen verwunderten Blick. Erwartete ihre Urgroßmutter denn allen Ernstes, auch die derzeitige Regentin, Königin Victoria, noch zu überleben?
    Louisa wiederum lächelte bloß geheimnisvoll und mit einem leicht spöttischen Zug um die Lippen. »Ich für meinen Teil habe noch lange nicht vor, den Löffel abzugeben. Eine weitere Dekade möchte ich schon gerne noch erleben, ehe der Herr mich abberuft. Vor allem will ich noch einmal in jenen Sinnenfreuden schwelgen, wie der alte König George - Gott hab ihn selig! - sie uns vorgelebt hat und die mit der nächsten Königin hoffentlich eine kleine Renaissance erleben.« Gelassen wedelte sie sich mit ihrem karmesinroten Straußenfedernfächer ein wenig frische Luft zu. »Also, wie gesagt: Zehn weitere fahre werden ja wohl noch drin sein für mich.«
    Schweigen breitete sich über den Salon, als Evelyn, Louisas jüngste Tochter und Marquise von Lansdowne, sich einmal geräuschvoll räusperte und dann das Glückwunschschreiben von Ihrer Majestät, der Königin Victoria, und seiner Königlichen Hoheit Edward, dem Prinzen von Wales, verlas.
    Anschließend reichte der zukünftige Herzog von Leeds, der mit Louisas Lieblingsenkelin verheiratet war, Lu ein Glas Champagner und küsste sie einmal zart auf die Wange. »Auf die bestgekleidete Dame in ganz London«, rief er mit volltönender Stimme, während er sein eigenes Glas erhob. » Cheers!«
    »Danke, mein Lieber, vielen lieben Dank«, erwiderte die alte Dame gerührt. »Und darum will auch ich nun einen kleinen Toast ausbringen. Einen Trinkspruch, den mir ein alter Ire einst beigebracht hat.« Sie reckte demonstrativ das Kinn und verkündete:
    »Lass uns trinken! Einen auf dich und einen auf mich.
    Und kommt der Tag, da das Schicksal unsere Freundschaft anficht -
    so scher dich zum Teufel, auf dass ich allein weitertrinke: einen auf mich!«
    Ganz verzückt von ihrem eigenen Scherz straffte Louisa in ihrem prunkvollen Sessel die Schultern und schaute einmal herausfordernd in die Runde. Doch keiner rümpfte die Nase, sondern die meisten lächelten nur milde.
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