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Die Reise nach Trulala

Titel: Die Reise nach Trulala
Autoren: Kaminer Wladimir
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    Buch
     
    Reisen, so heißt es, bildet. Über Reisen zu schreiben bildet auch: die Daheimgebliebenen, die von der weiten Welt nur zu träumen wagen. Wladimir Kaminer selbst zog es schon immer in die Fremde, denn, wie er sagt: »Da, wo ich herkomme, ist das Leben zum Leben ungeeignet.« Das mag sein Onkel Boris während der vielen Jahre seiner Verbannung in Kasachstan ähnlich gesehen haben. Er kann es daher kaum fassen, dass er später als Held der Arbeit Russland für ein paar Tage verlassen und nach Paris fliegen darf, in die Stadt der Liebe und des Eiffelturms, der verwinkelten Gassen und überfüllten Touristenbusse. Aber die sowjetische Regierung hat dafür gesorgt, dass Onkel Boris nicht auf dumme Gedanken kommt, und bald reibt dieser sich die Augen über das, was ihn in der Metropole erwartet. Die Augen reiben sich auch zwei Touristen aus Berlin, als sie auf der Krim auf die angesengten Stiefel des im Krieg über der Halbinsel abgeschossenen Joseph Beuys stoßen. Und die Stiefel sind nicht das Einzige, was noch Jahrzehnte nach dem Absturz an Beuys' Zeit in Russland erinnert... Von diesen und anderen verrückten Reisen in alle Welt erzählt Wladimir Kaminer in diesem Buch - und von Abenteuern, die selbst den unerschrockensten Lesern den Atem verschlagen werden.
    Wladimir Kaminer, 1967 in Moskau geboren, studierte Theaterwissenschaften, bevor er vor zwölf Jahren ein Zugticket nach Berlin löste, wo er bis heute lebt. Er schreibt für verschiedene Tageszeitungen, hat eine eigene Radiosendung, eine Rubrik im ZDF-Morgenmagazin und organisiert im Kaffee Burger Veranstaltungen wie seine inzwischen berüchtigte »Russendisko«. Mit der gleichnamigen Erzählsammlung sowie dem Roman »Militärmusik« avancierte das Multitalent Kaminer zu einem der beliebtesten und gefragtesten zeitgenössischen Autoren in Deutschland.
     
    Autor

     
    Verfehltes Paris
     
    Unser erstes deutsches Dokument, das wir im Polizeipräsidium am Alexanderplatz 1990 erhielten, war eine ostdeutsche Aufenthaltserlaubnis. Unserem alten Traum, dem Recht auf Reisefreiheit, waren wir dadurch nicht näher gekommen. Gleich auf der ersten Seite des Dokuments stand: »Beim Verlassen der Deutschen Demokratischen Republik ist diese Aufenthaltserlaubnis bei der zuständigen Dienststelle der Volkspolizei oder dem Grenzkontrollorgan abzugeben. Gültig bis 30.08.2000.«
    Wir planten dann auch erst einmal keine große Reise, wir waren froh, überhaupt ein Dokument bekommen zu haben. Es erlaubte uns immerhin, leise in unserem Ausländerwohnheim in Marzahn zu sitzen und die deutschen Biersorten kennen zu lernen. Man kann nicht alles auf einmal haben. Mir bereitete schon allein die Tatsache, dass ich nun nicht mehr in der Sowjetunion, sondern ganz woanders war, große Freude. Ich hatte auch früher schon versucht, unter dem einen oder anderen Vorwand die Sowjetunion zu verlassen, also das Weite zu suchen. Doch meine Vorhaben waren allesamt fehlgeschlagen. 1986 hatte ich zum Beispiel von der besten Freundin meiner Mutter, die einen Deutschen geheiratet hatte und in Berlin lebte, eine Einladung in die DDR bekommen.
    Zuerst lief alles wie am Schnürchen: Ich gab die Urin- und Blutproben ab, und die medizinische Untersuchung ergab, dass ich gesundheitlich im Stande war, eine Auslandsreise zu verkraften. Nun hatte ich nur noch eine Klippe vor mir: das KIF - das Komitee für Internationale Freundschaft. Ohne seine Erlaubnis bekam ich keinen Reisepass. Die KIF-Funktionäre versammelten sich nur einmal im Monat. Sie waren für das ideologische Antlitz der sowjetischen Jugend im Ausland zuständig und versuchten natürlich, so wenige Jugendliche wie möglich ins Ausland zu lassen. Obwohl ich nur in die DDR wollte, die keine ideologischen Differenzen mit uns hatte, musste ich trotzdem beim KIF antreten. Und nicht allein, sondern mit dem Komsomol-Vorsitzenden der Theaterschule, an der ich damals studierte. Der Vorsitzende hatte mich schriftlich zu charakterisieren und mich quasi persönlich für die Reise zu empfehlen. Zum Glück war Oleg, unser Komsomol-Organisator, in Ordnung. Ich kaufte zwei Flaschen Wodka und stattete ihm einen Besuch ab. Anfänglich hatte er keinen Bock auf das ganze Theater: Die KIF-Sitzung sollte im hintersten Winkel Moskaus, in der Leningrader Chaussee, stattfinden. Doch nach ein paar Gläsern wurde er freundlicher:
    »Angenommen, ich schreibe dir ein positives Gutachten, was bringst du mir dafür aus der DDR mit?«
    »Was willst du denn haben?«,
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