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Maedchenmoerder Ein Liebesroman

Titel: Maedchenmoerder Ein Liebesroman
Autoren: Thea Dorn
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wir sie lediglich unter einen Haselstrauch gelegt hatten. Außerdem fand ich es ungerecht, dass Carla Rincón so viel Aufmerksamkeit erhielt, während es die arme Hermana Lucía womöglich noch nicht einmal zu einer richtigen Vermisstenanzeige gebracht hatte.
    Ich erkläre Dir all dies so ausführlich, damit Du mir wenigstens jetzt glaubst, dass es keine bloße Laune von mir war, als ich Dir am nächsten Morgen in aller Frühe vorschlug, noch einmal zu unserer Hermana zurückzukehren.
     
     
    Ich merke, dass ich nicht ganz ehrlich bin. Welchen Sinn hat es jetzt noch zu lügen …
     
     
    Ich habe Dir nicht einfach »vorgeschlagen«, ins Vallée d’Ossoue zu fahren. Ich habe Dich damit aufgezogen, dass Du Dich nicht trauen würdest, noch einmal zu unserer Nonne zurückzukehren.
     
     
    Hättest Du anders reagiert, hätte ich Dir meine wahren Beweggründe so ernsthaft erklärt wie jetzt? Später habe ich es ja noch versucht, aber da war es schon zu spät. Da wolltest Du mich nicht mehr hören.
     
     
    Der Wald im Vallée d’Ossoue hatte sich verändert, seit wir zuletzt dort gewesen waren. Eine Woche hatte genügt, und der Hochgebirgsherbst hatte gelbe und rote Blätter vorbeigeschickt. Am meisten hatte sich jedoch der Geruch verändert. Im ersten Moment erinnerte mich der Duft nach Pilzen und Waldboden an unsere glückliche Nacht in - nein, daran darf ich jetzt nicht denken.
     
     
    Wir wateten durch das kleine Flüsschen, durch das wir am Sonntag zuvor mit unserer Hermana Lucía gewatet waren, und je näher wir der Stelle kamen, an der wir sie versteckt hatten, desto stärker wurde ein Geruch, der mit Pilzen und Waldboden nichts mehr zu tun hatte. Ich merkte, wie Dein Schritt langsamer wurde. In meinem Übermut spottete ich weiter, ich könne es nicht fassen, dass so ein mutiger Mädchenmörder Angst vor so einem bisschen Verwesung habe.
     
     
    Gott, habe ich das wirklich gesagt?
     
     
    Als wir endlich vor den wüst verstreuten Resten standen, die die Tiere der Pyrenäen von der armen Hermana übrig gelassen hatten, musste ich lachen. Und musste noch mehr lachen, als ich hinter mir die würgenden Geräusche hörte. Und musste noch viel, viel mehr lachen, als ich mich umdrehte und sah, dass Du Dich - um all den Kaffee, das Baguette und die Marmelade zu erbrechen, die Du zum Frühstück gegessen hattest - just an jenem Baumstamm abgestützt hast, an dem das Schild » DÉCHARGE INTERDITE « hing.
     
     
    Bin dieser lachende Teufel wirklich ich?
     
     
    David! Was ist an jenem Sonntagmorgen mit mir passiert? Stimmt es, dass ich immer wieder gerufen habe: »Aber das ist doch nur Natur! David! Das ist doch alles nur Natur!«
     
     
    Hilf mir! Bis eben war ich sicher, Du hättest völlig überreagiert, als Du Dich auf mich gestürzt und angefangen hast, mich so zu verprügeln, wie Du mich seit den Tagen im Keller nicht mehr verprügelt hattest. Jetzt erkenne ich, dass Du Recht gehabt hast. Das wahre Monster bist nicht Du. Das wahre Monster bin ich.

Lieber David!
    Ich habe Angst, verrückt zu werden. Stundenlang renne ich durch die Nacht, weil ich es in meiner Wohnung nicht mehr aushalte.
     
     
    Hättest Du mich in jenem Wald im Vallée d’Ossoue nur totgeschlagen. Dann hätten die Tiere auch meinen Kopf vom Rumpf trennen und meine Augen aus den Höhlen picken können, und spätestens im November hätte der Schnee mich zugedeckt.
     
     
    Warum hast Du mich überleben lassen? Ich verstehe, dass ich Dir so widerlich war, dass Du mich nicht mal mehr mit eigenen Händen töten wolltest. Aber warum hast Du mich dann nicht einfach im Wald zurückgelassen?
     
     
    Mein ganzer lächerlicher Stolz, als Einzige überlebt zu haben - wo ist er hin?
     
     
    »Es ist vorbei. Flieg heim.«
     
     
    Waren das wirklich die Sätze, die Du zu mir gesagt hast, bevor Du mir das Geld in die Hand gedrückt und mich in Toulouse aus dem Auto geworfen hast? Hast Du nicht gewusst, dass es für mich kein »heim« mehr gibt?
    Ich begreife das Mädchen nicht, das sich am Flughafen tatsächlich ein Ticket gekauft hat. Was hat es den Leuten am Schalter erzählt? Hat es hinter seiner großen, dunklen Sonnenbrille geweint? Ich denke nicht. Gespenster können nicht weinen.
     
     
    Hast Du noch versucht, Dir ein neues Mädchen zu besorgen? Die Medien behaupten es. An einer Raststätte kurz vor Genua sollst Du eine Kindergärtnerin ins Auto gezerrt haben. Der Kindergärtnerin gelang es zu fliehen.
     
     
    Im Internet gibt es ein Video.
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