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Maedchenmoerder Ein Liebesroman

Titel: Maedchenmoerder Ein Liebesroman
Autoren: Thea Dorn
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Computerdateien auf. Und zwar in der Rubrik »Verkehrsdelikte«, weil er mit seinem Porsche auf der Autobahn in einem Tempo-80-Abschnitt 180 Stundenkilometer gefahren war. Ansonsten: Fehlanzeige. Was für ein großes Glück wäre es für mich und all die anderen Opfer gewesen, hätte die Polizei bereits einen Hinweis darauf gehabt, dass dieser Mann schon einmal Mädchen unsittlich berührt oder ein anderes Sexualdelikt begangen hat. Aber nein. Für die Polizei war er so unschuldig wie ein Neugeborenes. (Zumindest für die deutsche. In Murcia hatte er vor vielen Jahren tatsächlich schon einmal ein Mädchen vergewaltigt. Doch auch die spanischen Behörden waren in diesem Fall nie weitergekommen. Immerhin erkannten sie im September 2006, dass der Mann, der mordend durchs Land fuhr, möglicherweise derselbe war, der im Herbst 1995 eine junge Kellnerin vergewaltigt hatte.)
    Über das, was sich oben im Haus abspielte, während ich unten im Keller lag, kann ich nur Mutmaßungen anstellen. Ich erinnere mich jedenfalls nicht, in den sich hinschleppenden Stunden, die ich in meinem Verließ zubrachte, Stimmen oder Schritte gehört zu haben. Die beiden Polizisten behaupteten später, sie hätten sich mit meinem Peiniger nur kurz im Wohnzimmer unterhalten. Dabei sei ihnen nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Sie hätten ihn gefragt, ob er am 3. Juni spätabends mit seinem Porsche unterwegs gewesen sei oder ob er den Wagen zu diesem Zeitpunkt womöglich an einen Freund verliehen habe. Auch hätten sie ihm ein Foto der toten Janina gezeigt, auf das er aber in keiner Weise verdächtig reagiert habe.
    Ohne den beiden Polizisten zu nahe treten zu wollen, frage ich mich: Was haben die beiden in diesem Augenblick erwartet? Dass ein Mann, der kaltblütig genug ist, Mädchen wochenlang in seinem Trainingskeller gefangen zu halten, um sie aufs Abartigste zu missbrauchen, anschließend zu erwürgen und ihre Leichen in den Wald zu werfen - dass so ein Mann in Tränen ausbricht, wenn sie ihm das Foto von einem seiner Opfer zeigen? Oder dass er so blöd ist zu antworten: »Oh ja, jetzt erinnere ich mich wieder! Ich war an jenem Abend tatsächlich an der Autobahnraststätte Frechen!«?
    Wären sie misstrauisch geworden, hätten sie meine Kleider gesehen, die der Unmensch ja schließlich irgendwo versteckt haben musste? (Aber ich sehe ihn vor mir, wie er die Beamten anstrahlt: »Ach, die Kleider meinen Sie? Die gehören meiner Nichte. Die pennt öfter hier, wenn sie zu Hause Stress hat.«) Hätte ich im Keller die endlosen Stunden auf gut Glück durchschreien sollen? - ich bezweifle, dass man mich oben ihm Haus überhaupt gehört hätte. Vermutlich hätte schon mein Kopf oder zumindest eine Hand von mir auf dem Couchtisch liegen müssen, damit die Polizisten das Haus an jenem 5. September durchsucht hätten.
    Hier kommt etwas Merkwürdiges: Mein Peiniger selbst hat nämlich behauptet, die Beamten hätten das Haus durchsucht. Sie seien sogar in den Keller gegangen und bloß zu doof gewesen, die Tür zu meinem Gefängnis zu entdecken.
    Ich neige in diesem Punkt dazu, der Polizei zu glauben. Denn erstens bin ich sicher, dass ich doch irgendetwas gehört und also tatsächlich um Hilfe geschrieen hätte, wären zwei Beamte durch den Kellerflur gegangen. Zweitens halte ich es für sehr gut möglich, dass auch dies nur eine der Geschichten ist, die mein Peiniger mir erzählt hat, um mich zu quälen. Und drittens glaube ich, dass er dieses Detail von Marc Dutroux, dem belgischen Kinderschänder, geklaut hat. Später, während unserer vielen Stunden im Auto, hat er mir oft von Dutroux erzählt. Am meisten scheint ihn beeindruckt zu haben, dass dieser, seit er im Gefängnis sitzt, über fünfzig Heiratsanträge bekommen haben soll. (»Die sind doch alle gleich bescheuert, diese F... n«, pflegte er dann zu sagen.)
    Der Gedanke, dass er das Detail mit den Polizisten, die vor dem Kellerraum stehen und zu doof sind, die Tür zu entdecken, von Dutroux geklaut haben könnte, kam mir allerdings erst, als ich vor wenigen Tagen das Buch gelesen habe, das eins der Dutroux-Opfer geschrieben hat. Das Mädchen berichtet, dass jener Unmensch in seinem Haus eigens einen winzigen Kellerraum mit einer Tür konstruiert hatte, die man von außen nicht sehen konnte, weil sie hinter einem zugemüllten Regal versteckt war. Nach allem, was ich damals ahnte und heute mit Gewissheit sagen kann, hat sich mein Peiniger diese Mühe nicht gemacht. Das Einzige, was er an seinem
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