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Modesty Blaise 10: Der Xanadu-Talisman

Modesty Blaise 10: Der Xanadu-Talisman

Titel: Modesty Blaise 10: Der Xanadu-Talisman
Autoren: Peter O'Donnell
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1
    Der Franzose neben ihr verlor von neuem das Bewusstsein. Sie änderte ihre Stellung, denn sie war nur mit einem kurzen Bademantel bekleidet, und der Schutt stach in ihren Körper. Ihre schmutzbedeckte, blutverkrustete Hand tastete im Dunkel nach dem Hals des Mannes; sie legte zwei Finger auf seinen Puls.
    Der Puls war etwas beschleunigt, etwas schwach, aber gleichmäßig. Sein Atem kam stoßweise, doch in der staubgesättigten Luft erging es ihr nicht viel besser.
    Sie versuchte, sich in der engen Betongrube auf den Rücken zu legen, und öffnete und schloss die Hände.
    Sie schmerzten immer noch, weil sie Stunden damit zugebracht hatte, die große klaffende Wunde an seinem Schenkel zuzuhalten, bis das hervorquellende Blut endlich stockte.
    Der Franzose rührte sich und murmelte etwas, das wie »Alâeddin« klang. Während der langen Stunden hatte er dieses Wort zwischen unverständlichem Gestammel bereits einige Male wiederholt. Jetzt sagte er ganz deutlich: »
Le talisman? Le talisman …?
« Sie wusste, dass er das breite Band meinte, das er um das rechte Handgelenk getragen hatte. Am frühen Morgen, während einer Periode fiebriger Klarheit, hatte er darauf bestanden, dass sie das Band löste und selbst über das Handgelenk streifte. Zwischen den zwei dicken Lederschichten hatte sie etwas Flaches und Hartes gespürt, war aber so damit beschäftigt gewesen, ihn zu beruhigen, dass sie sich nicht darum kümmerte, was das Band enthielt.
    »
Le talisman?
«, wiederholte er, diesmal hörbar erregt.
    Modesty Blaise legte eine Hand auf seine Stirn und sagte beruhigend wie zu einem Kind: »
Ne t’inquiet pas. Je l’ai, je l’ai

    Er murmelte noch etwas vor sich hin, dann herrschte Stille. Sie blickte durch die Gitterstäbe auf den schwachen Lichtstrahl, der durch die Trümmerhaufen zu ihnen drang. Seit Sonnenaufgang hatte sich das Licht weder verändert noch verstärkt, also hatte sich das zerstörte Gebäude in diesem Zeitraum offenbar nicht weiter gesenkt.
    Vorsichtig drehte sie sich zur Seite. Links vom oberen Rand der flachen Grube lag der Volkswagen, auf seine halbe Höhe reduziert. Aus dem eingedrückten Dach ragte ein langer Stahlträger hervor und hielt die Tonnen von Mauerwerk auf, die einst das
Hotel Ayachi
gewesen waren. Ein Glücksfall hatte ihnen, als sie verschüttet wurden, während der ersten acht Stunden Licht verschafft. Die gewaltigen Schläge, die den Volkswagen aufbrachen, hatten die Innenbeleuchtung intakt gelassen, und als die Tür aufsprang, ging sie automatisch an. Oberhalb der Grube war mehr Platz als in der Grube selbst. In Gedanken sah sie immer noch die Höhle voller Betontrümmer vor sich – wie einen riesigen, auf dem Rücken liegenden Schrank. Vor dem letzten Beben war die Höhle noch größer gewesen, obwohl sie sehr klein schien, als sie den Araber mit dem Messer abwehren musste. Jetzt war er bereits seit Stunden tot.
    Die Schuttberge des letzten Bebens hatten ihn unter sich begraben. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie sich und den Franzosen bereits in die Montagegrube manövriert und als Vorsichtsmaßnahme das Gitter darüber gelegt.
    Pech für den Araber; anderseits war eine Montagegrube von der Größe eines geräumigen Sarges kein Platz, den man mit einem potenziellen Killer teilt.
    Vorsichtig berührte sie den Verband, den sie dem Franzosen angelegt hatte, als die Wunde endlich zu bluten aufhörte. Der Verband war trocken. Wenigstens etwas, wofür man dankbar sein konnte. Und auch für die Tatsache, dass es seit dem Beben, das den gefesselten Araber unter Tonnen von Schutt begrub, keine weiteren Erdstöße mehr gegeben hatte.
    Das erste Beben hatte vor zwölf Stunden stattgefunden, als sie eben in dem ziemlich kleinen, ziemlich hässlichen Hotel an der Straße nach Casablanca, eineinhalb Kilometer östlich von El Jadida, aus der Dusche trat. Dass sie sich in diesem Hotel aufhielt, war auf ein Telegramm zurückzuführen, das ihr Hausdiener Weng in London in Empfang genommen und nach Saint-Jean-de-Luz durchgegeben hatte. Es lautete:
    HABE ZWISCHEN ZWEI ARBEITEN EIN PAAR WOCHEN FREI KANNST DU MICH WENN NICHT ZU MÜHSAM FREITAG HOTEL AYACHI TREFFEN ALLES LIEBE GILES.
    Das Telegramm war zwei Tage vorher im Tschad aufgegeben worden.
    Da es von Dr. Giles Pennyfeather kam, dessen Vorstellung einer Verabredung von liebenswerter Vagheit war, erwähnte es weder einen Absendeort, noch gab es an, um welchen Freitag es sich handelte.
    Als Weng am Freitagmorgen anrief und das Telegramm
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