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Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon

Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon

Titel: Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon
Autoren: Jacob Wendt Jensen , Deutsch von Janine Strahl-Oesterreich
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ihr. Er schaute sie an und sagte nur: »Sie war so bezaubernd.« Alle Versuche, ihn ins Leben zurückzuholen, waren vergebens, sagt Henning: »Wir brachten ihm Fjordgarnelen und machten Omelett dazu und lockten mit einem Fernet Branca. Der brachte seinen Magen aber völlig durcheinander. Außer einer einzelnen Garnele dann und wann und einem kleinen Schluck Weißwein oder Wasser nahm er nichts mehr zu sich. ›Warum soll ich essen, wenn ich keine Lust habe?‹, fragte er. Das Pflegepersonal bat uns, zu entspannen und mit unseren Essensideen aufzuhören, aber wir konnten nicht. Man sagt ja nicht einfach: Schön, dass er gelebt hat, und nun lassen wir ihn abkratzen.«
    Schließlich nahm die Familie das Unvermeidliche an. Jeden Tag versammelten sich Kinder und Kindeskinder, um mit ihm auf der kleinen Terrasse zu essen und Wein zu trinken. Man war zusammengerückt, bewegte sich sachte und herzlich. Ove war dabei, soweit er konnte. Er lag in einem der beiden Zimmer, und jedes Mal, wenn einer zu ihm hineinschaute, sagte er: »Oh, wie schön, dass ihr gekommen seid. Kommt ihr auch bald wieder?«
    Morten Grunwald war außer der Familie der Letzte, der ihn besuchte: »Als ich anrief, konnte ich hören, dass er alt geworden war. Seine Stimme hatte keine Kraft mehr, aber sein Geist war völlig intakt. Nachdem wir eine Weile geplaudert hatten, fragte ich, ob ich ihn nicht besuchen und eine Flasche Wein mitbringen sollte. Ove liebte Wein, und genau wie in alten Zeiten machte er: ›Muuum!‹ Ich hatte auch zwei Bücher für ihn dabei. Eins mit unbekannten Fotos von Chaplin und eins über James Cagney, mit dem Ove oft verglichen wurde. ›Hier ist der amerikanische Ove Sprogøe‹, sagte ich. Darüber lachte er, aber ich weiß nicht, ob er sie sich noch angesehen hat.«
    In den folgenden Wochen hatte Ove mal erträgliche und mal weniger gute Tage. Widerwillig ließ er sich von einem Arzt an den Tropf hängen, was seinen Zustand für einige Tage etwas verbesserte. Henning machte mit ihm im Rollstuhl lange Spaziergänge und schlug ihm vor, dass sie sich in das Straßencafé vom Hotel d’Angleterre setzen und sich die Leute angucken sollten, wie er es mit Eva so oft getan hatte. Aber dazu kam es nicht mehr. Ove sprach nicht davon zu sterben, aber es schien, als ob sein Körper das wollte.
    Die Familie meldete ihn in einem Pflegeheim im Stadtteil Vanløse an, und als er das hörte, rief er freudig: »Oh, Vanløse! Dann bin ich wieder zu Hause!« Er hatte als Junge in Vanløse gewohnt, und das Pflegeheim lag nur ein paar hundert Meter vom Haus seines Sohns Henning und seiner Frau Anne entfernt. Von seinem Balkon aus würde er auf den Schulhof der Katrinedal-Schule sehen können, wo seine Enkel Mathias und Johannes in der großen Pause spielten. Der Kreis hatte sich geschlossen.
    Für die Fahrt dorthin suchte er sich selbst einen cremefarbenen Anzug aus. »Darin will ich Vanløse einnehmen, Anne«, sagte er, und sie hängte den Anzug raus. Doch in der Nacht vor seinem Umzug spuckte er plötzlich Blut und kam ins Krankenhaus. Er sprach im Fieberwahn und schrie unzusammenhängendes Zeug. Zwischendurch war er ganz ruhig und klar im Kopf. Am Abend, als seine drei Söhne an seinem Bett saßen, begann er plötzlich von einem Fernseher zu erzählen. Sie dachten, er spräche wieder im Wahn, bis sie merkten, dass er den Fernseher an der Zimmerdecke über sich meinte. »Könnt ihr den Fernseher nicht verschieben? Der starrt mich an.« Man kann einen Fernseher, der an der Decke festgeschraubt ist, nicht zur Seite rücken. Doch ihr Vater bestand darauf, und so bewegten sie sein Bett ein Stückchen weg. Als das Bett verschoben war, schlief er wieder ein. In derselben Nacht um ein Uhr starb Ove Sprogøe. Am 14. September 2004, 25 Tage nach Eva.
    Am Morgen schrieb Henning die traurige Mitteilung an die Nachrichtenagentur Ritzaus Bureau. Als sie mittags um zwölf im Fernsehen lief, war die Familie in Vanløse versammelt. Oves Tod war nun Realtität. Die Telefone standen nicht still, und an der Tür klingelten die Journalisten. Anne stand ihnen Rede und Antwort.
    Die Familie trauerte gemeinsam. So wie sich Eva und Ove das ­gewünscht hätten, wurde zusammen gegessen, getrunken und Abschied genommen. Es war fast wie bei einer ihrer sonntäglichen Zusammenkünfte im Tømmerup Stationsvej. Nur ohne die Gastgeber.
    In einer gemeinsamen Todesanzeige in der Zeitung Politiken stand außer Evas und Oves Namen: »Unsere Lieben sind von uns gegangen – wir
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