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Madame de Maintenon

Madame de Maintenon

Titel: Madame de Maintenon
Autoren: Veronica Buckley
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und Europäern ging es jedoch freier zu, als es später auf Guadeloupe der Fall
68 sein sollte. In diesen Jahren vor den ersten Zuckerplantagen waren die Sklaven noch leicht in der Unterzahl gegenüber den Franzosen, und die Beziehungen zwischen beiden waren noch nicht so streng reguliert wie später. Charles' kleine Bande war sicher so unbezähmbar, wie eine Schar von zehnjährigen Jungen es nun einmal ist; sie streiften nach Belieben umher, kletterten auf Bäume und schossen in dem dichten tropischen Busch auf Vögel, gaben an und boxten sich und verübten in den staubigen Straßen der Stadt ihre Streiche. In der Hitze und dem Durcheinander des kolonialen Guadeloupe tat Charles, ganz das Ebenbild seines Vaters, sein Bestes, um sich zu vergnügen.
    Sein älterer Bruder hätte es auch so halten können, doch Constant, inzwischen fünfzehn geworden, verbrachte seine Tage lieber im Hause bei seiner Mutter. Jeanne drängte ihn nicht, etwas zu unternehmen, und wenn sie es getan hätte, hätte sie damit kaum Erfolg gehabt. Sie schaute einfach zu, wie er aus Lustlosigkeit und Schwermut in eine lähmende Depression abrutschte. Ihr Mann war fort, Constant war nicht zu helfen, Charles war den ganzen Tag außer Hause, und so
wandte sie ihre unwillkommene Aufmerksamkeit der neunjährigen Françoise zu. Unter dem Vorwand, das Mädchen vor nicht näher benannten »Gefahren« zu bewahren, verbat Jeanne ihr, das Haus zu verlassen; selbst die Kühle des Gartens blieb ihr verwehrt. Wochenlang in das erstickende Haus eingesperrt, mußte Françoise fromme Bücher lesen und Briefe an die Verwandten daheim schreiben, jedoch nur an diejenigen, die ihre Mutter ihr nannte und die Geld erübrigen konnten. Offiziell schrieb auch Charles Briefe, aber in der Praxis schrieb seine Schwester für ihn, als mehr oder weniger angemessene Gegenleistung dafür, daß er für sie die verbotene Frucht von den Orangenbäumen direkt vor der Tür pflückte. »Ich aß sehr gern Orangen
69 «, sagte Françoise, »und sie wuchsen so reichlich, daß man sie von den Wegen kehren mußte, bevor man auf diesen spazierengehen konnte.«
    Constant père kehrte nach gut einem Monat mit ungewohnt erfreulichen Neuigkeiten nach Guadeloupe zurück. Die winzige Insel Marie-Galante war ideal für eine Plantage; er hatte sich bereits ein erhebliches Stück Land gesichert – was nicht hieß, daß er es auch bezahlt hatte –, und er hatte sogar einige Sklaven gekauft. Sie würden für ihn Tabak und Bananen und Indigopflanzen anbauen und ihn zu einem reichen Mann machen. Nur ein Detail blieb noch zu regeln: Bei den »Irois«, die auf der Insel lebten, handelte es sich keineswegs um Indianer, sondern um »Sechsunddreißiger« der Englisch sprechenden Art, nämlich um irische Vertragsarbeiter, die von den britischen Karibikinseln geflohen waren. Sie waren ganz entschieden gegen den Plan, französische Plantagen auf der Insel zu schaffen, die sie mittlerweile als ihr Eigentum betrachteten.
    Ein geringerer oder vielleicht auch ein klügerer Mann hätte das Unternehmen angesichts dessen fallen gelassen, aber Constant ließ sich davon nicht beirren und verpflanzte seine Familie auf die winzige Insel. Mit ihnen kamen Merry Rolle und Jacquières und Bonnefon mitsamt ihren diversen engagés
und Bediensteten. Eine Siedlung gab es auf Marie-Galante nicht, jedenfalls keine französische Siedlung; vermutlich war mit den Iren eine Abmachung getroffen worden, die ihnen das Bleiben erlaubte. Constant blieb gerade einmal zwei bis drei Wochen dort, und obwohl er hinsichtlich ihrer materiellen Versorgung keine Fortschritte machte, verschaffte ihnen die bloße Tatsache, daß er da war, eine gewisse Erholung von ihrer gewohnten Unsicherheit. Insbesondere Jeanne entspannte sich und ging dazu über, Françoise mit einer Zuneigung, die nicht von Dauer sein sollte, als » petite d'Aubigné « oder »Bignette« anzusprechen. Constant selbst hatte ausnahmsweise einmal Zeit und Neigung für seine Tochter übrig. Für ihre neun Jahre ungewöhnlich intelligent, war sie jetzt – anscheinend zum ersten Mal – ein Objekt von gewissem Interesse für ihn. Er plauderte mit ihr und hänselte sie wegen ihres Katholizismus; so wollte er von ihr wissen, »wie ein gescheites Mädchen
70 wie du an all die Dinge glauben kann, die sie dir aus dem Katechismus beibringen«. Mit »sie« war natürlich die Mutter des Kindes gemeint, der es offenbar bis zu einem gewissen Grad gelungen war, Françoise vom Irrweg des
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