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Madame de Maintenon

Madame de Maintenon

Titel: Madame de Maintenon
Autoren: Veronica Buckley
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Kapitel 2
    Amerika!
    Die Wiederherstellung der Familie d'Aubigné war nur von begrenztem Erfolg. Theoretisch war Jeanne darüber erfreut gewesen; ihr Gemahl war endlich ein freier Mann, und ihre Tochter war ihr zurückgegeben worden. Doch das Erscheinen der Tochter hatte in Jeannes mütterlicher Brust keine Saite der Liebe zum Klingen gebracht. Françoise war von klein auf mehr oder weniger das Kind einer anderen Frau gewesen, und sie kehrte als eine Fremde in die Familie zurück. Und wenn das Kind eine Unbekannte war, so war der Ehemann nur allzu vertraut, derselbe Mann, der er immer gewesen war, nicht geläutert durch die Zeit im Gefängnis: begeistert, heißblütig, nach wie vor voller großartiger Pläne, hoffnungslos unzuverlässig und vor allem ohne einen Heller in der Tasche. Wenn es zwischen Mann und Frau jemals so etwas wie Liebe gegeben hatte oder auch nur eine sexuelle Bindung, so war sie längst dahin. Was Jeanne jetzt an der Seite von Constant hielt, waren Gewohnheit und Religion und der schlichte Mangel einer Alternative. Constant blieb an Jeannes Seite, wenn es ihm paßte, und verließ Paris immer wieder, möglicherweise auf der Suche nach Arbeit, aber wohl eher auf der Suche nach seinen Tagträumen. Wovon die Familie in dem folgenden Jahr und länger lebte, ist bis heute ungeklärt, aber gesichert ist jedenfalls, daß sie nicht gut lebte. Constant muß ein Charmeur durch und durch gewesen sein, denn es gelang ihm trotz seines Rufes immer wieder, sich Geld zu borgen, und Ende 1643 erhielt er sogar 1000 Gulden, die ihm, als der alte Agrippa nichts mehr davon merkte, von seiner verwitweten Stiefmutter in Genf vermacht worden waren, die ihrerseits möglicher
weise von Constants unehelichem Halbbruder Nathan
50 dazu bewogen worden war.
    Zu seinem älteren und gleichnamigen Sohn, der jetzt vierzehn Jahre alt war, hatte Constant offenbar keine Beziehung. Die angeborene Neigung des Jungen zur Schwermut hatte sich durch fünf Jahre der Not und der Sorge verschlimmert. Er war verschlossen und teilnahmslos; zu seiner Mutter, die ihn sehr behütete, hatte er ein enges Verhältnis, doch zu anderen Mitgliedern der Familie hat er anscheinend keine emotionale Beziehung hergestellt, auch nicht zu seiner wiederentdeckten kleinen Schwester, von deren offenbar gewinnender Persönlichkeit man hätte erwarten können, daß sie ihn ein wenig aus sich herauslockt. Ganz anders Charles, der jüngere Bruder, der auf der Stelle eine Bindung zu ihr aufbaute. Knapp ein Jahr älter als Françoise, nahm er sofort die Stelle Philippes, ihres Lieblingscousins in Mursay, ein. Bald waren die beiden unzertrennlich, lernten gemeinsam ihre Lektionen und deckten sich gegenseitig, wenn sie etwas ausgefressen hatten. Charles, das genaue Gegenteil seines Bruders, gesegnet oder gestraft mit dem überschäumenden Temperament seines Vaters, war rastlos und abenteuerlustig, ganz dem Augenblick hingegeben. Sein natürlicher Charme und seine Überredungskunst nahmen Françoise gefangen, und die heftige Liebe, die sie ihm entgegenbrachte, sollte sich über sechzig Jahre erhalten, eine Zeit, die von Verschwendung und Verantwortungslosigkeit auf seiner und von Nachsicht und Großmut auf ihrer Seite geprägt war.
    Sie brauchte die Zuneigung ihres Bruders, da von ihrer Mutter keine kam. Nach jahrelanger Abwesenheit wieder mit ihrer Tochter vereint, hatte Jeanne augenblicklich eine Abneigung gegen sie gefaßt und sie, wie wir erfahren, »nur zweimal
51 « geküßt, »und nur auf die Stirn«; es sollten die letzten Küsse sein, die sie ihr jemals gab. Françoise war jetzt eine aufgeweckte Achtjährige, sehr hübsch, mit dunklen Augen und lockigen dunklen Haaren. Oft wirkte sie ernst, war aber
auch zu plötzlichen Anwandlungen von Heiterkeit fähig; allerdings konnte sie auch stur sein, ein Charakterzug, mit dem sie sich bei ihrer Mutter nicht beliebt machte. Eine angebliche Protestantisierung im Haus ihrer Tante Louise war als Vorwand schnell zur Hand, wenn Françoise bestraft werden sollte; mit Sicherheit wurde sie geohrfeigt, und vermutlich wurde sie auch hin und wieder herumgestoßen, aber davon ließ sie sich nicht unterkriegen. »Meine Mutter hat uns sehr streng erzogen
52 «, sollte sie später sagen. »Wenn wir hingefallen waren, uns an der Kerze verbrannt oder sonst einen kleinen Unfall hatten, durften wir nicht weinen.«
    Sie war fleißig beim Lernen und eine bereitwillige Helferin im Haushalt, aber ein gewisser Hang zur Unordnung könnte
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