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Madame de Maintenon

Madame de Maintenon

Titel: Madame de Maintenon
Autoren: Veronica Buckley
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Protestantismus zurückzuholen.
    Kurz nach Neujahr 1645 segelte Constant nach La Rochelle ab. Die Schlappe mit den Iren hatte ihn keineswegs entmutigt; Ende März war er in Paris, um bei der Compagnie des îles d'Amérique die offizielle Verleihung des Gouverneursamtes über die Insel zu beantragen. Man weiß nicht, was er den Beauftragten der Compagnie erzählt hat, aber offenkundig hat er die »irische« Frage heruntergespielt. Das Dokument, mit dem seinem Gesuch entsprochen wurde, enthüllt jedenfalls die beinahe diktatorischen Vollmachten eines Kolonialgouverneurs in jener Zeit:
    Nachdem wir uns Eurer Loyalität
71 , Eures Mutes, Eurer guten Führung und Erfahrung vergewissert haben, übertragen wir Euch … das Amt des Gouverneurs der besagten Insel Marigalante … auf der besagten Insel alles zu
unternehmen, was Ihr für den Dienst am König und die Förderung unserer Geschäfte als zweckmäßig erachtet, und unter den Leuten Einigkeit und Frieden zu erhalten und dafür zu sorgen, daß jedermann Gerechtigkeit geschehe … wir fordern alle Kapitäne, Offiziere und Soldaten sowie sonstige Bewohner der besagten Inseln auf, Euch in allen Dingen, die dieses Amt betreffen, Gehorsam zu leisten.
    Nachdem dies erledigt war, ging Constant daran, sich um die weitere Förderung seiner eigenen Interessen zu kümmern. Er bestieg ein Schiff nach England und wechselte unterwegs rasch wieder zum protestantischen Glauben, um erste Erkundigungen einzuziehen, was Marie-Galante der englischen Krone wert wäre. Eine Reise zurück über den Ärmelkanal, bei der er nach der Landung dem Protestantismus abschwor und zum Katholizismus übertrat, gestattete ihm weitere Verhandlungen mit der Compagnie und anderen interessierten Kreisen in Frankreich. Von dort ging es zurück nach England, dann wieder nach Frankreich, wobei mit der Überfahrt jeweils ein Religionswechsel verbunden war. So ging es neun Monate lang hin und her. Erstaunlich ist nur, daß man auf keiner Seite der Verhandlungen mit ihm überdrüssig wurde, denn es dürfte ihm nicht gelungen sein, all seine Reisen geheimzuhalten. Vielleicht erkannten sie in Constant einfach einen von ihrer Sorte: einen geborenen Opportunisten, reich an schönen Worten und arm an Prinzipien, bereit, in allem, was sich als für ihn finanziell vorteilhaft erwies, das Gute zu sehen. Und schließlich hatten sie nichts zu verlieren: Wenn sie ihm für seine Mühe ein wenig zahlten, bedeutete es nicht ihren Ruin. Zum Spiel mit den Kolonien gehörte das Risiko. Und wenn er ihnen am Ende nichts lieferte, dann hatten sie zumindest das Vergnügen am Spiel gehabt. 
    Im Dezember 1645 segelte Constant endlich wieder zurück in die Karibik, in der Tasche eine Abmachung, den Engländern sowohl Marie-Galante als auch die von den Franzo
sen kontrollierte Nord- und Südküste der Insel Saint-Christophe auszuliefern, deren Inneres bereits in der Hand der Engländer war. Den Franzosen selbst sollte er entweder Marie-Galante oder, sofern dies nicht möglich war, eine andere Insel seiner Wahl verschaffen. Als unverbesserlicher Optimist hoffte er vermutlich, die Kontrolle über alle drei Inseln zu gewinnen und dadurch beide Seiten glücklich und sich selbst zu einem sehr reichen Mann zu machen. Sein Hang zur Geselligkeit hinderte ihn daran, seine Pläne für sich zu behalten; man kann sich ohne weiteres vorstellen, wie er, die Schnapsflasche in der Hand, bei der Rückreise in die Karibik auf dem schmuddeligen Deck saß und die Mitreisenden mit sagenhaften Geschichten über künftigen Glanz und Reichtum unterhielt. Jüngere Männer mögen über die Tagträume dieses Sechzigjährigen den Kopf geschüttelt haben, aber vielleicht haben einer oder zwei dem alten Mann mit seinem unstillbaren jugendlichen Glauben an das Mögliche in heimlicher Bewunderung gelauscht.
    * *
    Was immer Constant zu diesem Zeitpunkt mit Marie-Galante vorgehabt haben mag – seine Familie wäre, hätte sie davon gewußt, bestimmt nicht begeistert gewesen. Jeanne und die Kinder waren nicht einmal mehr auf der Insel; sie hatten vor den immer feindseliger auftretenden Iren im Oktober des Vorjahres die Flucht ergriffen. Merry Rolle, der »Beschützer« der Familie, hatte als erster aufgegeben und war gegangen, rasch gefolgt von seinen edlen Freunden. Die engagés und Sklaven hatten ihre Chance zur Flucht ergriffen, so daß Jeanne nichts anderes übrigblieb, als ebenfalls zu gehen. Allerdings hatte sie – ein Zeichen, woher ihre Tochter ihre
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