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Madame de Maintenon

Madame de Maintenon

Titel: Madame de Maintenon
Autoren: Veronica Buckley
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finden könne.«
    Im März oder April 1646 besuchte ein unerschrockener junger Franzose die Familie in ihrer schönen Residenz in Le Prêcheur: Es war Esprit Cabart, Chevalier Seigneur de Villermont, nur 18 oder 19 Jahre alt, Sohn eines Anwalts im Parlament von Paris, Reisender, Unternehmer, homme de lettres , Kunstsammler, Feinschmecker, Kolonialgouverneur und möglicherweise Spion – das meiste davon bislang nur in Keimform, aber bereits ein schroffer und wenig schmeichelhafter Kontrast zu dem lustlosen Constant, der nicht imstande war, die vier Wände seines Hauses zu verlassen, und nur ein Jahr jünger war. Cabart de Villermont war ein umgänglicher Mann, zugleich aber diskret und zuverlässig; offiziell war er in der Karibik unterwegs, um nach interessanten Pflanzen für die königlichen Gärten zu suchen, doch in Wahrheit wollte er Einblick in den Sklavenhandel erlangen, in dem seinerzeit die Niederländer und die Engländer dominierten, im Hinblick auf eine denkbare französische Beteiligung an diesem gewinnträchtigen Geschäft. Sein Besuch bei den d'Aubignés war nicht bloß Zufall, nicht der übliche Zusammenschluß von Landsleuten vornehmer Herkunft in fernen Ländern; vielmehr scheint er die Familie schon vorher gekannt zu haben, vielleicht durch seine Bekanntschaft mit einem ihrer Verwandten in Paris, dem Baron de Saint-Hermant, einem Cousin oder vielleicht auch Bruder von Jeannes Freundin Madame de Neuillant. Während sein Schiff in Fort Royal überholt wurde, hielt er sich bei der Familie in Le Prêcheur auf, ein höchst willkommener Gast für alle, Constant vielleicht ausgenommen. Den Kindern konnte er abenteuerliche Geschichten erzählen; für Jeanne war er, der für sein Alter ungewöhnlich reif war, ein verständnisvoller Zuhörer, ein gescheiter Gesprächspartner und vor allem eine
Verbindung in die Heimat; später sollte er noch von großem praktischen Nutzen für sie sein.
    Cabart de Villermont verließ Le Prêcheur wahrscheinlich irgendwann im April 1646, womit er den d'Aubignés ungewollt das Ende ihrer guten Tage auf Martinique signalisierte. Eines Abends – »Ich hatte gerade meine Puppe
78 zu Bett gebracht und meinen Schleier als Moskitonetz über sie gebreitet« – brach in dem herrschaftlichen Haus ein Feuer aus. Jeanne beeilte sich, ihre Bücher zu retten, eine aufschlußreiche Priorität, und schalt anschließend ihre in Tränen aufgelöste Tochter: »Nicht doch, Mädchen! Um ein Haus weint man nicht!« Françoise hat offenbar nicht erwidert: »Aber ich habe doch um meine Puppe geweint«, wie sie später gestand. »Das Feuer breitete sich dorthin aus, wo ich sie liegengelassen hatte.«
    Die Bücher waren gerettet, doch die Puppe war verloren, und mit ihr das Haus, vermutlich der größte Teil dessen, was die Familie besaß, und ihr gesamtes geborgtes Geld, abgesehen von dem, das in ihren lebenden Sklaven steckte. Danach sind sie offenbar bei einem Monsieur Delarue untergekommen, der wie sie aus Niort stammte und sie aus Freundlichkeit aufnahm, vielleicht auch gegen eine geringe Miete, und dort warteten und warteten sie auf Constant.
    Sie hatten keine Ahnung, wo er sich aufhielt. Sie hatten keine weiteren Nachrichten von ihm seit dem Brief, den er im Vorjahr aus Frankreich geschrieben hatte, in dem er Jeanne aufforderte, in großem Stil Geld zu borgen, um ein Haus auf Marie-Galante einzurichten. In der Zwischenzeit waren sie aber von Marie-Galante geflohen, hatten ein Vermögen erborgt und alles bei dem Brand verloren. Anfang Juni 1646 schrieb Jeanne einen bitteren Brief an Louise in Mursay, in dem sie von der unnachgiebigen Familie Caumont d'Adde sprach, die ihre mittlerweile sinnlosen Prozesse gegen sie fortsetzte. Das war Jeanne jetzt egal. »Von mir aus
79 kann er, wenn es ihm gefällt, das Eigentum von Witwen und Waisen auf
zehren«, schrieb sie. »Darüber sage ich nichts mehr.« Und was Constant betraf: »Ich werde mich Dir gegenüber nicht über ihn oder sein Verhalten äußern, weil ich Dein Wohlwollen gegen ihn nicht schmälern möchte. Ich möchte Dir nur sagen, daß ich vorhabe, Deinen älteren Neffen heimzuschicken, damit er irgendwo bei der Armee anfängt. Hier verkümmert er nur, vergeudet er seine Zeit und seine Gesundheit; die Luft ist ungesund und das Essen auch. Was den Jüngeren angeht, würde ich ihm gern eine Stelle als Page beschaffen; er ist ein wirklich allerliebster Junge, auch wenn ich selbst das sage, und da ihr Vater nicht geruht, an sie zu denken, werde
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