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Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos

Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos

Titel: Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Prolog

 
    Samstag, 5.   Juni 1895 …
    A lfons, die Kamera noch ein Stück weiter nach rechts. Ja, so ist es gut. Hast du das Blitzpulver geprüft? Wie viele Schienen hast du vorbereitet? Vier? Gut, das sollte ausreichen. Höchste Konzentration jetzt. Die Majestäten werden gleich das Museum verlassen, da darf nichts schiefgehen.«
    Fritz Ferdinand wischte sich den Schweiß von der Stirn. Der Reporter von der Berliner Morgenpost überprüfte noch einmal das Stativ, vergewisserte sich, dass die Kamera fest verschraubt in Position saß, und wies dann seinen jungen Assistenten an, darauf zu achten, dass keiner der Zuschauer versehentlich vor ihre Linse trat. Die Aufnahme musste sitzen, sie hatten nur diesen einen Versuch.
    Die Menge draußen vor dem Museum wurde unruhig. Fähnchen wurden geschwenkt, einzelne Hochrufe ertönten. Fritz Ferdinands Puls stieg. Er hatte gestern gerade an einem spektakulären Artikel über Humboldts neueste Erfindung geschrieben, als sein Chefredakteur hereingeplatzt war und ihn beauftragt hatte, eine Titelgeschichte über den Besuch des Kaisers und seiner Frau anlässlich der Einweihung der Pergamon-Ausstellung im Neuen Museum anzufertigen. Und nicht nur das, er sollte auch die Fotos dazu liefern. Humboldt hin oder her, aber das war noch einmal eine Nummer größer. Er konnte ohne Übertreibung sagen, dass dies die wichtigste Reportage seiner bisherigen Laufbahn war. Den Artikel hatte er bereits stichpunktartig festgehalten und musste ihn im Laufe des Tages nur noch ausformulieren, doch was noch fehlte, war eine gute Aufnahme.
    Fritz Ferdinand hatte einen kühnen Plan entwickelt. Er hatte vor, dem Kaiserpaar etwas zuzurufen und sie in dem Moment abzulichten, in dem sie zu ihm herübersahen. Seine Position war gewissenhaft gewählt. Schräg hinter den beiden lag die prächtige Fassade des Neuen Museums, die Sonne kam von der gegenüberliegenden Seite, sodass seine Majestät nicht ins Gegenlicht blinzeln musste. Dann musste er nur noch darauf warten, dass beide einen würdevollen Gesichtsausdruck aufsetzten, und abdrücken.
    Alles ganz einfach. Theoretisch.
    Der Wettergott hatte es gut mit ihm gemeint. Der Kaiser liebte Prunk und Paraden, aber vor allem schätzte er schönes Wetter. Kaiserwetter , der Begriff war schon seit einiger Zeit in aller Munde. Seine Majestät brauchen Sonne, war zu einem geflügelten Wort geworden. Das Blitzpulver war notwendig, um die harten Kontraste im Gesicht wegzuleuchten, denn nichts war schlimmer als Schlagschatten, die Seine Majestät alt und faltig aussehen ließen. Der Kaiser war ausgesprochen eitel. Er würde den Abdruck untersagen, wenn er mit dem Ergebnis nicht hundertprozentig zufrieden war.
    Wilhelm der Zweite, Deutscher Kaiser und König von Preußen, Oberster Kriegsherr des deutschen Heeres, Chef der Marine und Ritter des Hosenbandordens, hatte kein leichtes Leben gehabt. Die strenge Erziehung, seine Behinderung, innenpolitische Querelen und jetzt der zunehmende Streit mit England und Frankreich – ihm war nichts in den Schoß gefallen. Manche hielten ihn für zu lasch und weich, trotzdem hielt ihm das Volk die Treue. Er war das, was man sich unter einem gütigen und sanftmütigen Landesvater vorstellte. Zusammen mit seiner Gattin, Kaiserin Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg repräsentierte er die Monarchie mit den ihm gegebenen Mitteln: mit militärischem Prunk, Pomp und Nationalstolz. Sollten die Politiker sich doch die Köpfe heißreden und nach Krieg schreien, Wilhelm war wie ein Fels in der Brandung und das war etwas, was die Menschen an ihm schätzten.
    Noch befand sich das Kaiserpaar im Inneren des Neuen Museums, aber es gab erste Anzeichen, dass sie das Gebäude gleich verlassen würden. Durch die geöffneten Flügeltüren konnte Fritz Ferdinand im Inneren Dienstpersonal und Sicherheitskräfte herumhuschen sehen. Einige schwer bewaffnete Mitglieder der kaiserlichen Leibgarde hatten das Gebäude verlassen und stellten sich rechts und links der Hauptpforte auf, die Säbel zum Gruß erhoben. Dann war es so weit. Die letzten Glockenschläge vom nahe gelegenen Berliner Dom waren gerade verklungen, als Museumsdirektor Dr.   Schellmoser in Begleitung des Kaiserpaares das Gebäude verließ und den obersten Treppenabsatz betrat.
    Auguste Viktoria trug ein taubeneiblaues Kleid mit kurzen
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