Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos

Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos

Titel: Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos
Autoren: Thomas Thiemeyer
Vom Netzwerk:
könnte?«
    Â»Eines steht schon mal fest«, sagte Charlotte. »Dieses Ding verbraucht Strom. Viel Strom. Ich habe acht Generatoren gezählt, von denen jeder etwa dreihundert Watt produziert. Acht mal dreihundert macht zweitausendvierhundert Watt, die alle in diesem Ding hier landen.« Sie strich mit der Hand über die Metallringe. »Seltsamerweise führt keines der Kabel in die Maschine. Stattdessen landet die gesamte Energie in dem Sockel.« Sie deutete auf zwei mächtige Rollen, die eng mit Kupferdraht umwickelt waren. »Also wenn ich mir das so ansehe, würde ich auf Elektromagnetismus tippen.«
    Â»Drahtlose Energieübertragung, ganz recht.« Humboldt nickte zufrieden. »Nur weiter.«
    Â»Jetzt wird’s schwieriger«, sagte Charlotte. »Wenn die Maschine also nicht direkt an die Stromversorgung angeschlossen ist, kann das eigentlich nur bedeuten, dass sie ihre Position verändern wird. Fährt sie herum, schwebt sie? Ich habe keine Ahnung. Auch diese drei Ringe ergeben für mich keinen Sinn. Der erste rotiert in der Vertikalen, der zweite in der Horizontalen, der dritte hingegen ist frei gelagert und kann seine Achse ständig verändern. Die Kugel in der Mitte bildet das Zentrum. Ein stabiler Mittelpunkt, der von der Bewegung der sie umkreisenden Ringe unbeeinträchtigt bleibt. Wie das Auge eines Sturms.«
    Â»Drei Ringe, drei Dimensionen«, sagte der Forscher. »Die Kugel in der Mitte repräsentiert die vierte Dimension: die Zeit. Sie ist es, die ich durchqueren möchte.«
    Â»Aber ist das nicht unmöglich?«, fragte Oskar. »Die Zeit ist doch feststehend. Wir können sie weder riechen noch schmecken oder fühlen. Es sei denn, wir altern, aber das geht so langsam, dass wir es erst nach Jahren merken.«
    Â»Nur weil die Effekte für uns nicht unmittelbar spürbar sind, heißt es ja nicht, dass sie nicht da sind«, sagte Humboldt. »Die Zeit ist eine Dimension wie jede andere. Wir haben zwar kein Sinnesorgan dafür, aber dennoch können wir sie messen. Seht her.« Er zog seine Taschenuhr aus seiner Weste und deutete auf den Zeiger, der gemächlich über das Zifferblatt wanderte.
    Â»Ja, dass die Zeit vergeht, ist unbestritten«, sagte Oskar. »Aber wie sollen wir uns darin fortbewegen? Die Zeit hat nur eine Richtung: nach vorne.«
    Â»Irrtum«, erwiderte der Forscher. »Dadurch, dass sie eine eigene Dimension ist, haben wir auch Handlungsfreiheit darin. Sprechen wir also lieber von der vierten Dimension . Ihr erinnert euch vermutlich, was ich euch im Geometrieunterricht über die drei anderen Dimensionen erzählt habe?«
    Â»Vorwärts, rückwärts ist die erste Dimension«, sagte Charlotte. »Rechts, links die zweite, auf, ab die dritte. Mithilfe von Länge, Höhe und Breite lässt sich jeder Körper im Raum beschreiben.«
    Â»Richtig«, sagte der Forscher. »Es fehlt aber noch eine ganz wichtige Größe: die Dauer. Es reicht ja nicht zu sagen, wo sich ein Körper befindet, wenn man nicht weiß, wann . Diese Kiste hier könnte heute hier stehen, morgen ganz woanders. Überlegt euch mal Folgendes: Wo wir hier stehen, waren früher Meere und Gletscher. In vielen Hunderttausend Jahren befindet sich hier vielleicht eine Wüste oder ein Bergmassiv mit steilen Flanken und Tälern. Die Zeit verändert den Raum. Das ist eines der fundamentalen Gesetze der Physik. Habt ihr noch nie die Erfahrung gemacht, dass ihr einen Ort besucht habt, der sich während eurer Abwesenheit verändert hat? Etwas aus eurer Kindheit?«
    Â»Doch, allerdings«, sagte Oskar, der sich plötzlich an den kleinen Laden an der Ecke August- und Artilleriestraße erinnerte. Der Inhaber Emil Steinheimer stammte selbst aus einfachen Verhältnissen und hatte ein Herz für Straßenkinder. Oskar und seine Freunde hatten dort hin und wieder Karamellbonbons geschenkt bekommen. Irgendwann musste das Gebäude wegen Baufälligkeit abgerissen werden und Steinheimer war in eine andere Stadt gezogen. Jetzt gab es dort ein Straßencafé für die Wohlhabenderen, dessen Angestellte bettelnde Kinder mit Fußtritten verjagten.
    Humboldt lächelte. »Na seht ihr?«, sagte er. »Wir spüren Veränderungen meist nur schleppend, aber ab und zu wird uns die Macht der Zeit bewusst. Ich habe dieses Projekt übrigens nicht allein gestemmt, sondern in Zusammenarbeit mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher