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Madame de Maintenon

Madame de Maintenon

Titel: Madame de Maintenon
Autoren: Veronica Buckley
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ausgereicht haben, um ihre Mutter zu provozieren, als die Vorwürfe eines aufkeimenden Protestantismus sich abgenutzt hatten.
    Françoise hat ihre erste religiöse Erziehung anscheinend durch eine Art Osmose erhalten und nicht so sehr durch direkte Unterweisung. In Mursay hatte sie fünf Jahre in einem stramm hugenottischen Haushalt verbracht, mit regelmäßigen Familiengebeten und Bibellesungen; dadurch wird sie, als sie acht war, zumindest mit den bekanntesten biblischen Erzählungen und Gleichnissen aus dem Neuen Testament vertraut gewesen sein. Katholische Symbole hatte es in Mursay natürlich nicht gegeben, weder Heiligenbilder noch Statuen oder Rosenkranzperlen, und Geschichten über Heilige oder Märtyrer wird sie kaum gekannt haben. Louise und Benjamin hatten sie nicht gezwungen, an ihren Gottesdiensten teilzunehmen, aber man hatte sie auch nicht zur katholischen Messe gebracht, so daß sie, als sie mit ihrem Vater in Paris eintraf, nur der Form halber katholisch war, durch ihre Taufe. Bestürzt ergriff ihre Mutter Gegenmaßnahmen. Sie nahm das Kind mit in eine katholische Kirche, eine ihm ganz und gar unvertraute Umgebung mit Überresten von Weihrauchduft und Bildern von Folterungen ringsum. Später berich
tete Françoise, wie sie sich geweigert hatte, vor dem Altar die üblichen Gesten zu machen, und ihm statt dessen trotzig den Rücken gekehrt hatte – wofür es auf der Stelle Ohrfeigen gesetzt hatte.
    Man sollte in diesen Vorfall keinen frühzeitigen religiösen Heroismus hineindeuten. Ein willensstarkes Kind wurde von einer ebenso willensstarken Mutter zu etwas gezwungen, was es nicht wollte. Die Kirche muß Françoise bizarr und beängstigend erschienen sein; die Bilder, die dort hingen, hat sie unzweifelhaft als schreckenerregend und empörend empfunden. Ob zur Zeit dieses ersten Besuchs gerade ein Gottesdienst stattfand, weiß man nicht, aber wenn ja, dann hat sie nur die fremdartigen Klänge lateinischer Kantaten und Rezitationen vernommen, nichts Vertrautes, nicht einmal ein Kirchenlied und auf jeden Fall nichts, was dazu angetan war, sie zu beruhigen. Es bestand keine vertrauens- oder liebevolle Beziehung zwischen Mutter und Tochter, die den Eindruck von so vielen unwillkommenen neuartigen Dingen hätte mildern können; daß daraus Streit erwuchs, ist dann kein Wunder mehr.
    Jeanne, die gegenüber ihrem unglücklichen älteren Sohn so nachsichtig war, hatte für ihre Tochter keine Geduld übrig. Das kleine Mädchen, ein vollkommen gesundes Kind, aufgeweckt, hilfsbereit, warmherzig, ja sogar schön, hätte von ihrer Mutter mit Freude begrüßt werden können, als ein verlorener und jetzt wiederentdeckter Schatz. Doch als die Jüngste und möglicherweise Verletzlichste der Familie, vielleicht auch als die unerwartete Verkörperung derjenigen, die die Mutter in ihrer Jugend selbst einmal gewesen war, scheint sie Jeanne als Prügelknabe für ihre zahlreichen Ängste und Frustrationen gedient zu haben. Bei Constant richtete sie mit Vorhaltungen nichts aus, und einen gewissen Anteil der Schuld sah sie auch bei sich selbst, wenn sie über »die Schwierigkeiten
53 , die sein schlimmes Verhalten hervorgerufen hat«, sagte: »Ich habe sie immer akzeptiert, und ich werde sie er
tragen, solange es Gott gefällt, denn die Behandlung, die ich erfahren habe, habe ich voll verdient« – möglicherweise eine Anspielung darauf, daß sie als Sechzehnjährige »gesündigt« hatte, indem sie sich von einem Häftling ihres Vaters verführen ließ. Gewissensbisse wegen der Vergangenheit, ob sie nun gerechtfertigt waren oder nicht, kamen also zu dem Elend der Gegenwart und den Ängsten vor der Zukunft hinzu. Das alles lastete auf ihr, und Jeanne brauchte verständlicherweise ein Ventil; betrüblich ist nur, daß sie es darin fand, ihre vollkommen unschuldige Tochter zu schikanieren. Jahrzehnte später sollte die Sekretärin der erwachsenen Tochter festhalten: »Sie sprach nicht gern
54 über ihre Mutter.«
    * *
    Wo immer er in den vergangenen zwölf Monaten gewesen war – im Frühling 1644 war der Vater des Kindes wieder in Paris und ersuchte die Compagnie des îles d'Amérique um einen ehrenhaften und lukrativen Posten auf einer Insel der fernen Karibik. Die Gesellschaft, die sich diese Vollmacht selbst angemaßt hatte, hatte ihm den Gouverneursposten auf jeder der Inseln versprochen, die er für Frankreich zu reklamieren vermochte. Als Gouverneur installiert, gedachte er sich in einen Pflanzer zu verwandeln und mit
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