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Madame de Maintenon

Madame de Maintenon

Titel: Madame de Maintenon
Autoren: Veronica Buckley
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Hartnäckigkeit hatte – bis zum Ende durchgehalten, und sie war die letzte der Franzosen, die ging. Sie segelten nach Martinique und legten in Fort Royal an, wo sie etwa ein Jahr zuvor auf den Inseln gelandet waren.
    Hier fand Jeanne einen Brief vor, geschrieben im Spätsommer 1645, als Constant noch in Frankreich war. Es war, wie immer, ein heiter-beschwingtes Schreiben und voller Neuigkeiten: Jeanne sollte sich im großen Stil einrichten, vermutlich auf Marie-Galante. Nun würde alles gut werden; ihre Sorgen waren zu Ende; von nun an würde Geld dasein, und zwar mehr als genug. Sie nahm dies erstaunlicherweise für bare Münze; vielleicht glaubte sie, sie habe, wie die Beauftragten der Compagnie, nichts zu verlieren. Zwar war Marie-Galante jetzt kein Thema mehr, aber vielleicht würde man auf Martinique auch ein gutes Leben als Kolonisten führen können. Jeanne tat also, wie ihr Mann sie geheißen hatte, und nahm seinen Erwartungen entsprechend umfangreiche Kredite auf. Sie fand ein schönes, geräumiges Haus in der nördlichen Siedlung Le Prêcheur, abseits der Garnisonsstadt Fort Royal, und stattete es großzügig mit Personal aus – zu ihren zwei Dienern kamen mindestens zwölf, möglicherweise sogar zwanzig neu gekaufte Sklaven
72 .
    Le Prêcheur war schön gelegen, von üppiger tropischer Vegetation umgeben, die stickige Schwüle gemäßigt durch die Passatwinde, und das Anwesen umringt von neun kleinen Buchten mit schwarzem Sand, ein frühzeitliches Geschenk des Mont Pelée, des schlafenden Vulkans der Insel. In ihrem schönen Haus, gestützt vom Versprechen ihres Mannes, daß nun fortwährend Geld fließen werde, fand Jeanne endlich ein wenig Ruhe, und davon profitierte ihre Tochter. Françoise genoß zum ersten Mal eine gewisse Freiheit, und sie nutzte sie, indem sie draußen umherwanderte, den Vögeln lauschte und sogar in die Gesänge und Rhythmen der traditionellen Lieder und Tänze der Sklaven ihrer Mutter einstimmte.
    Sie und Charles erhielten Unterricht, den ihre Mutter ihnen erteilte. Jeanne kann nicht viele Bücher bei sich gehabt haben, aber eines hatte sie, das damals von allen Lesekundigen gelesen und genossen wurde: eine volkstümliche Ausga
be von Plutarchs Großen Griechen und Römern
73 . Daß Jeanne unbedingt ein Exemplar mit auf die lange Reise nehmen wollte, ist nicht verwunderlich, war doch die praktische Weisheit Plutarchs nicht so weit von der des von ihr sehr bewunderten Franz von Sales entfernt. Beide stimmten gut mit ihrer eigenen untheatralischen Moral überein: »Tue nichts, dessen du dich vor den Menschen, die du achtest, schämen müßtest.« »Willst du glücklich sein
74 , so betrachte jene, denen es schlechter ergeht als dir.« Dazu hielt sie ihre Kinder an, geleitet von dem antiken wie dem modernen Moralisten. Offenbar hat Jeanne die Geschichten Plutarchs zunächst den Kindern vorgelesen, bevor diese selbst zu lesen begannen und das Buch zu ihrer einzigen Lektüre wurde. Sie hatten anscheinend nichts dagegen. Sogar Charles war froh, täglich eine oder auch zwei Stunden stillzusitzen und die Heldengeschichten in sich aufzunehmen; er und seine Schwester lernten einzelne Passagen draußen im Garten auswendig, im Licht der tiefstehenden Sonne, das durch die Palmwedel drang. Angesichts der vielen »guten Werke« ihres späteren Lebens könnte man meinen, Françoise sei von den nüchternen Lebensweisheiten in Plutarchs Geschichten angesprochen worden, doch in ihrer Kindheit gefiel ihr vor allem deren heroischer Aspekt. »Mein Bruder bestand darauf
75 , daß seine Helden etwas Besseres seien als jede Heldin. Ich sagte dagegen, eine solche Frau habe mehr dafür getan, eine Heldin zu werden, als ein Mann. Diesen Streit trugen wir miteinander aus.« Dies äußerte sie erst sehr viel später, aber es zeigt, daß sie schon als Zehnjährige und trotz der ungleich verteilten Liebe ihrer Mutter ein ausgeprägtes Bewußtsein von ihrem eigenen Wert besaß.
    Desgleichen verriet sie einen ausgesprochenen Sinn für das Schöne. »Es gibt kaum eine größere Freude
76 , als in der Schönheit und Heiterkeit einer Tropennacht die himmlischen Konstellationen zu betrachten«, schrieb Père Maurile. Françoise liebte es, in der schwülen Nacht auf das schwarze Meer hin
auszuschauen, in dem sich die Sterne strahlend spiegelten. »Ich stellte mir vor
77 , daß diese Spiegelbilder Diamanten sein müßten«, sagte sie, »denn ich hatte von Leuten gehört, daß man hin und wieder Diamanten im Meer
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