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Madame de Maintenon

Madame de Maintenon

Titel: Madame de Maintenon
Autoren: Veronica Buckley
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Bananen oder Indigopflanzen ein Vermögen zu machen. Der unverwüstliche Constant hatte mit sechzig Jahren beschlossen, sein Glück in Amerika zu versuchen – schon damals das Land der unbegrenzten Möglichkeiten.
    Seit Columbus' großen Entdeckungsreisen 150 Jahre zuvor waren Hunderte von Flotten von Europa in die vielversprechende Neue Welt aufgebrochen, nicht nur zu den unermeßlichen kontinentalen Regionen Nord- und Südamerikas, sondern auch zu den Inseln im Atlantischen Ozean und dem Karibischen Meer, von denen die letzteren bei den Franzosen als les îles Camercanes bekannt waren. All diese Inseln, ja sogar die Hälfte Amerikas war halboffiziell noch immer in
spanischem Besitz
55 , den die Spanier allerdings nicht vollständig zu nutzen verstanden hatten. Vor allem auf das Gold und Silber des südlichen Kontinents erpicht, hatten sie nur halbherzige Bemühungen unternommen, die karibischen Inseln, die nicht sogleich einen Gewinn versprachen, zu kolonisieren. Dadurch waren die Inseln und die angrenzenden Seewege zur Beute anderer Europäer geworden, mochten sie staatliche Unterstützung genießen oder nicht.
    Seine aktuelle Chance verdankte Constant – ganz seinem Naturell entsprechend – den Bemühungen eines gewissen Pierre d'Esnambuc, der als Flibustier zu den ersten Piraten der Karibik gehörte. Dieser d'Esnambuc hatte 1626 die Unterstützung von Kardinal Richelieu für die Gründung einer »Vereinigung von Herren
56 für die Kolonisation der amerikanischen Inseln« erlangt, in weiten Kreisen bekannt als Compagnie des îles d'Amérique. Mit einer einseitigen Erklärung seiner Gouverneurswürde über die Insel Saint-Christophe (St Kitts) in der Tasche war er umgehend abgesegelt, um die erste karibische Kolonie Frankreichs zu gründen und, wie er hoffte, ein Leben mühelosen Reichtums zu führen. Jetzt, neunzehn Jahre später, war Constant an der Reihe. Die Compagnie war hoffnungsvoll und Constant ohne Zweifel von überschäumendem Optimismus erfüllt: Ein bisher von niemandem gewünschtes Stück Land, 4000 Meilen entfernt, würde von nun an den Broterwerb und ein gutes Leben für die ganze Familie d'Aubigné abwerfen.
    Wie die Familie auf diese Nachricht reagierte, weiß man nicht, aber man kann es sich vorstellen. Die jüngeren Kinder werden es als ein riesiges Abenteuer verstanden haben. Für ihren Bruder war es sehr wahrscheinlich eine Quelle großer Angst, wenn es ihm nicht schon völlig egal war, wohin er ging und was aus ihm wurde. Jeanne hatte vermutlich gemischte Gefühle: Es war keine völlig abwegige Idee; man konnte auf den Inseln tatsächlich ein Vermögen machen; aber eigentlich brauchte die Familie gar kein Vermögen, sondern
nach all dem, was sie durchgemacht hatten, würde ihnen ein angemessener Lebensunterhalt reichen. Es gab natürlich Risiken, aber worin bestanden sie genau? Nach Lage der Dinge hatten sie nichts zu verlieren, weder Geld noch Haus, noch Stellung, noch Aussichten. Die Seereise war mit Gefahren verbunden, das stimmte; das Klima auf den Inseln konnte ihrer Gesundheit abträglich sein; aber was das anging, würden Armut und die kalten Winter im Norden ihnen wahrscheinlich auch keine Hilfe sein. Alles in allem lief Jeannes Einstellung vermutlich auf verhaltene Zustimmung hinaus.
    So oder so wurde die Reise vereinbart. Jeanne selbst zahlte am 19. April 1644 für die Passage der fünf d'Aubignés mitsamt zwei Bediensteten und einem engagé , einem Vertragsarbeiter, auf der Isabelle de la Tremblade nach der Insel »Gadarbeloupe« 330 Livres »in guten Silberécus
57 «. Für den Arbeiter war die Zahlung noch nicht erfolgt: dafür sollte Jeanne nach Ankunft auf den Inseln für den Kapitän »sechshundert [Pfund]« Tabak kaufen. Wie sie den ursprünglichen Betrag beschafft hatte, ist unklar: Die Ursulinen in Niort hatten ihr 83 Livres geborgt, vermutlich mehr an eine katholische d'Aubigné-Zukunft denkend als an eine protestantische d'Aubigné-Vergangenheit; möglicherweise war noch etwas von dem Vermächtnis von Agrippas Witwe übrig; vielleicht haben auch Louise und Benjamin geholfen. Jedenfalls stachen sie Anfang September von der Hafenstadt La Rochelle aus in See, der einstigen »sicheren Stadt«, in der sich die Hugenotten vor Jahren vergeblich gegen die Belagerung durch Richelieus katholische Truppen gewehrt hatten.
    Die Familie und ihre Bediensteten wurden auf der Isabelle im Zwischendeck einquartiert, der engagé weiter unten im schmutzigen Frachtraum zusammen mit sechzehn
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