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Macht und Rebel

Titel: Macht und Rebel
Autoren: Matias Faldbakken
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…«
    »Ja«, sage ich.
    »Ich begreife nicht, warum Frank ihn bei PUSH behält.«
    »Nein«, sage ich.
    »Mein britischer Freund hat das auch nicht begreifen können. So kann man sich doch in einer Kulturnation nicht aufführen.«
    »Nein«, sage ich.
    Sören Martinsen hatte seinerzeit mal einen wilden, halb-akademischen Fetisch-Job bei Bwittish Ahndersgraund und Bwittish Caunta-Culcha, ein gutes Sprungbrett in Sachen Karriere: Erst hat er sich einen Job als Katalogschreiber für die Galerie HELLEVEN 747 in Manchester erwinselt, und nach ein paar Halbjahren eifriger Vernissagebesuche hat er sich einen Job als Schreiber für das R_T_S Magazine erbettelt, entgegen allen Erwartungen. Vielleicht hatte der verantwortliche Redakteur ja irgend so ein verschrobenes Neunziger-Jahre-Skandinavien-Bild, à la neu und exotisch oder so. Immerhin ging es Martinsen auf, dass er sich einen neuen Stil zulegen musste, denn jetzt sollte er für ein kritisches, waches Londoner Publikum schreiben und nicht mehr für schlappe Skandinavier. Und wild inspiriert von Steven Wells, widmete er sich gleich in seinem ersten Artikel, einer Musik-Kritik, dem Londoner Auftritt der norwegischen Gruppe Dollie de Luxe, einer Veranstaltung mit dem Titel Which Witch, weil er darin irgendeinen »ironischen Dreh« sehen wollte, zweitens gelang ihm der folgende nicht im engeren Sinne leserfreundliche Eröffnungssatz, dessen Entwurf ihn drittens fünfunddreißig Minuten kostete, und er kostete ihn viertens den Job bei dem Blatt, und zwar noch selbigen Tages:
     
    Switch it
    By Sören Martinsen
    »Which Witch« with which »the bitch« (Bjornov) and »the litch« (Adrian) wished to switch the rich British poshkitsch into a lush niche-opera Frenchie-quiche-sandwitch-dish with Norwegian »fish« in it, by making a career-hitch (hike), with the stiched up itchy-bitch named Trish Tha Cleavedge – the privileged bridge-playing dyke married to Mike Mitch with a Lucky Strike-fetish, who came to like Shish Kebab during Rehab in The Lichfab Rehab Lab because of the arab lad who you'd wish he had a slightly less sad start to the bad smelling fart he called his life, which made him ultimately mess up his wife with a dull kitchen knife and a blowtorch which brought him the force to the ironporch in a Porsche as red as the color of his head which is now led back from the dead, although 24-7 in bed.
     
    Das war nun eine ausgemachte Peinlichkeit, natürlich besonders für Sören Martinsen selbst, aber ebenso für den Teil der Menschheit, der als Muttersprache Englisch spricht. Nicht nur, dass der verkackte Artikel Schande über die gesamte R_T_S-Redaktion brachte, Mike Mitch, der Musikproduzent, zerrte die Zeitschrift auch noch vor Gericht, weil hier Details seines Entzugs öffentlich gemacht wurden, und schon war Martinsens Karriere als Musikkritiker in Großbritannien Geschichte. Martinsen war stinkbeleidigt und begann, über die britische Snobkultur herzuziehen – wohlgemerkt ohne den Akzent loswerden zu können, den er sich so mühsam zugelegt hatte. Er schielte nach Amerika rüber und probierte eine Reihe Strategien aus, bevor er die endgültige Strategie entwarf, die ein paar Jahre später Fattys fettem Hirn so imponieren sollte. Was für eine Strategie? Er beschloss, sich »irgendwas zu widmen, das autonomer ist als die beschissene Zeitschriften-Hurerei«, und endete – Überraschung! – als Buchautor. Ojoj! Erst beschloss er, ein literarischer Eddie Murphy zu werden, dann, als er die Begeisterung für das subversive Potenzial der Stand-Up-Comedy überwunden hatte, kam er auf die Idee, es als literarischer Tarantino zu versuchen, das wäre doch der Bringer. Danach kam dann nur noch in Frage, ein literarischer Eminem zu werden, ein literarischer Oberklasse-Eminem wohlgemerkt, denn, ja, klassenmäßig gesehen ist Martinsen eine Promenadenmischung; seine Eltern sind Alkoholi-Akademiker … egal; als diese Idee erschöpft war, ging ihm folgende Tatsache auf: Ein Autor, egal ob von Belletristik oder Sachprosa, sollte möglichst eine Bibliographie voller COOLER TITEL vorweisen können. Das ist viel, viel wichtiger als der Inhalt. »Spar bloß keinen Pfeffer bei den Titeln, das wäre, als würdest du deine Uhr anhalten, um Zeit zu sparen«, schrie er sein Bild im Badezimmerspiegel an, um sich selber zu peppen und sein mickriges Autoren-Selbstvertrauen zu boosten. Darum starrt seine Bibliographie vor lauter dünnen, dämlichen Büchern mit Titeln wie:
    HERPES
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