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Macht und Rebel

Titel: Macht und Rebel
Autoren: Matias Faldbakken
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Unterdrückung das Einzige wäre, was den Leuten echte Wertvorstellungen vermitteln könnte. Oft habe ich mir gewünscht, wie ein räudiger Hund unter der Knute von fetten, uniformierten Kommandanten in grauen, tristen Konzentrationslagern zu winseln. In der Fantasie habe ich, vollgepumpt mit Methamphetamin und Kampfkokain, und allen möglichen Kriegsdrogen fremden Rassen und Menschen die unmenschlichsten Dinge angetan. Ich habe von unbegreiflich avancierter Flugzeugtechnologie und perfekten ballistischen Bahnen geträumt, von Zielen, die mit mathematischer Präzision getroffen werden, von Hass, so glühend, dass er glücklich macht. In meinen feuchten Träumen wurde meine Familie verschleppt und gemeuchelt, für mich der Freibrief, wie ein kranker Teufel zu morden und zu metzeln und mit Blut an Kirchen und Grabsteine und Entbindungskliniken zu schreiben: »Der liebste Platz, den ich auf Erden hab, das ist die Rasenbank am Elterngrab.« Ich kann kaum glauben, dass ich diese Fantasien über bekommen habe. Synagogen und Moscheen abzufackeln, schwangeren Müttern und kleinen Feindeskindern mit dünnen Dolchen den Bauch aufzuschlitzen, die Schweinehunde zu zwingen, sich gegenseitig kreuz und quer zu vergewaltigen, Gefängnisse zu öffnen und die Gefangenen freizulassen – oder die ganze Bande hinzurichten, ganz nach Lust und Laune –, Regierungen zu stürzen, Fernsehsender zu verbieten, die Presse zu zensieren, stolze ideologische Führer und abstoßende, nach Kohlrabi stinkende intellektuelle Pazifisten zu misshandeln. Oder ausgeklügelte Technologien zu erfinden, wie man möglichst rasch möglichst viele feige Zivilisten umbringen könnte. Und sich auszudenken, wie man sie dann beiseite schafft: Es ist kein Kinderspiel, wenn nicht nur ein paar tote Viecher, sondern zehn- und hunderttausende herumliegen und verwesen. Da heißt es rationell denken. Bis vor sehr kurzer Zeit noch lag ich im Bett und fantasierte, wie andere mir bodenloses Leid und Unglück zufügten und wie ich anderen bodenloses Leid und Unglück zufügte, aber das habe ich aufgegeben. Derlei Fantasien sind ganz sicher gesund, aber ich habe sie satt.
    Nur um es zu erwähnen, auch die Fantasien, in denen ich kleine Mädchen und Jungen sexuell missbrauche, haben sich gelegt. Bei der Vorstellung, Zehnjährigen, Siebenjährigen, Fünfjährigen allerlei Dinge in allerlei Körperöffnungen zu stecken, wird mir nicht mehr schlecht. Was ist schlimmer als sexuelle Gewalt und Machtmissbrauch, schlimmer als eine ausgeklügelte, kaltblütige Kombination von beidem? Als ausgiebige sexuelle, körperliche und psychische Schändung von unschuldigen Kindern? Mir will einfach nichts einfallen, und das beunruhigt mich. Es MUSS doch noch etwas Schlimmeres geben?
     
    Fotti ruft noch einmal an und teilt mir mit, wo und wann ich mich übermorgen zu diesem Picknick einzufinden habe. Sie sagt, sie sitzt im TESCO, und vielleicht habe ich ja Lust nachzukommen? Ich lehne ab, erwäge, Arolf anzurufen – was bedeuten würde, dass ich zu ihm hoch und bis morgen früh um fünf da rumsitzen müsste – oder nach Hause zu gehen und zu schlafen, um der schlechten Gesellschaft zu entgehen, die ich mir selber bin. Nichts davon ist eine befriedigende Aussicht, aber ich entscheide mich für die zweite Alternative. Oben bei Arolf wäre es sicherlich unterhaltsamer als zu Hause mit der Salatgurke, aber der Serotoninspiegel in meinem Gehirn ist so niedrig, dass ich ernsthaft befürchten müsste, den letzten Rest auch noch zu verbrauchen.
    Apropos Serotonin – der Restspiegel sackt abrupt in den Keller, denn auf der Straße kommt mir jetzt ausgerechnet Sören Martinsen entgegen. Er schiebt sich die Brille auf der Nase zurecht, als er mich sieht, und hebt die Hand zum Gruße.
    »Hallo, Rebel!«, sagt er mit seiner abgeschmackten Intellellenstimme.
    »Tach auch«, sage ich und hoffe bei Gott, dass das Gespräch nicht auf Fatty kommt. Martinsen ist nämlich einer von Fatty Frank Leiderstams engsten Mitarbeitern und trägt selbstverständlich ein bei Fattys Label PUSH produziertes counterfeit-brand-' T-Shirt, mit dem Aufdruck:

    Mich schaudert es.
    »Mann, Rebel, grad hab ich Remmy Bleckner getroffen, der hat sich vielleicht benommen … Keine Ahnung, was mit dem los ist. Okay, er hat schwer was zu sagen in der Szene und alles, aber wirklich … eine geschlagene Stunde lang meinen britischen Freund mit Fäkalwitzen einzudecken, quer durchs Lokal, das ist vielleicht ein bisschen übertrieben
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