Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht
Autoren:
Vom Netzwerk:
lesbisch?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Wieso?«
    »Weil ich kein Holländer bin.«
    »Und woher kommst du?«
    Die Toilette in der Wohnung ausfindig zu machen erforderte die Fähigkeiten eines erfahrenen Fährtensuchers. In der Toilette gab es ein gruseliges Waschbecken aus Eisen mit einem gelben Wasserhahn. Gleb wusch sich dort jedes Mal lange die Hände. Er ist höchst reinlich, dieser Gleb. Mit ihm in einem Zelt zu leben würde nicht schwer sein. Dem Mädchen links von mir sagte ich, wir führen nach Goa.
    »Where?«
    Ihr Gesicht ähnelte einem Rosinenbrötchen. Quer über ihrer Brust hing eine kleine Handtasche. Sicher bewahrte sie darin ihr Geld auf. Sie hielt die Tasche mit der Hand fest, sogar als sie Wein trank. Die Europäer sind alle so.
    Die leeren Flaschen wurden sofort vom Tisch geräumt. Alles war wunderbar, zum Sterben schön, obwohl es schade gewesen wäre zu sterben, es war alles einfach zu schön – besonders die Mädchen. Klar, ich werde wegfahren. Ich, dieser großartige Gleb und seine Olja. Wir würden nackt herumlaufen, warum auch nicht? Wie wohl die nackte Olja aussieht? Lust zu warten hab ich nicht, das ist schlecht. Obwohl man einiges bestimmt auch heute schon erledigen kann. Zum Beispiel, sich von Gleb Geld leihen.
    »Weil ihr drugs mögt?«
    »Warum denn plötzlich drugs? Drugs haben nichts damit zu tun.«
    Das Bier schmeckte langsam bitter. Das bedeutet, man muss was essen. Ich suchte nach der Wobla. Auf dem Tisch lag bloß noch ihr weißer Kopf. Das gesalzene Auge betrachtete mich mit schlauem Blinzeln.
    »Direkt auf den Hügeln! Ganz offiziell! Dabei – you know? – ist das nicht unser Hasch. Das ist re-a-les indisches Haschisch! Re-a-les!«
    »Ich verstehe.«
    Ich holte neues Bier. Die Stadt hatte sich inzwischen richtig aufgeheizt. Als ich zurückkam, schrie Gleb, wir sollten uns alle Jamiroquire anhören, er hätte eine Kassette dabei. Die Gesichter wechselten. Jemand verabschiedete sich und verschwand. Ich hatte Lust auf eine Zigarette, Stattdessen trank ich Wein. Am liebsten hätte ich gesagt: Wie schön, dass wir zusammen sind. In so einem tollen Kollektiv. Aber vielleicht würden sie mich gar nicht verstehen? Ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte.
    Links von mir schnatterte jemand: »Er hat so eine Mütze aus Polartex. Kennst du diese Mützen aus Polartex? Ich persönlich stehe nicht auf diese Mützen aus Polartex. Sie haben so einen Schirm – aus Polartex ...«
    Sein Gesprächspartner erwiderte tiefsinnig: »Habe ich gesagt, was mich heute geweckt hat? Die umgebende Realität hat mich angegriffen und in Stücke zu reißen versucht. Stell dir vor, von so was geweckt zu werden!«
    Dann führte Gleb Olja in die Diele. Bald darauf fiel dort etwas polternd um. Vielleicht hatte sich die Fahrradherde von der Kette gerissen und auf sie gestürzt? Das Erste, was ich erblickte, als ich hinausschlüpfte, war das nasse Gesicht von Gleb. Er hielt das Mädchen an den Haaren gepackt und schlug ihr ins Gesicht. Olja brüllte. Ringsum wurde es sofort eng. Alle wedelten mit den Armen, schrien, schubsten einander, rannten eilig irgendwohin. In dem Gedränge fiel jemand zu Boden. Ich trat ihm auf die Hand.
    Als man Gleb zurück ins Zimmer führte, huschte Olja hinterher und gab ihm einen kräftigen Fußtritt. Eine Zeit lang rannten alle durch die Zimmer. Dann schlug Olja laut die Tür zu. Ich kippte eine halbe Flasche Bier auf einmal in mich hinein. Gleb rieb sich mit den Handflächen die Wangen und spuckte kurz auf den Boden. Die Dänen blickten ihn entsetzt an. Ein junger Mann in einem Rastamützchen forderte Gleb auf, endlich zu verschwinden. Der widersprach nicht. Wir gingen zusammen. »Was ist passiert?«
    »Ach, zum Teufel mit der blöden Kuh!«
    »Mach dir nichts draus. Mach dir einfach nichts draus, okay?«
    »Gib mir ‘ne Zigarette.«
    Es heißt, einen Betrunkenen könne man an der Fahne und am schwankenden Gang erkennen. Das stimmt nicht. Das Wichtigste ist seine neue, nicht aristotelische Logik. Sein Bewusstsein beginnt schwankend im Kreis zu laufen. Einige Stunden nach Beginn einer Fete fängt garantiert irgendwer an, seinen glasigen Blick über die Gesichter seiner Nachbarn gleiten zu lassen und zu flüstern: »So also steht ihr zu mir? Na denn! Ich dachte, ihr ... Aber so steht ihr also zu mir, ja?« Eine dreiviertel Kopfdrehung, zusammengepresste Lippen. Zu streiten lohnt nicht. Sehr bald kann der Zechkumpan selber nicht mehr formulieren, was er eigentlich wollte.
    Langsam
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher