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Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht
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Straßen ... Tag für Tag dasselbe. Im »Grashüpfer«, neben dem Café »Roxana«, fanden wir doch noch unser beschlagenes Bier. In dem schummrigen Laden blickten die Angestellten traurig auf die durch die Türöffnung glitzernde Straße. Gleb bestand darauf,
    dass alle das dunkle, zähflüssige Martowskoje tranken. Das Bier roch nach Gerstenkaffee.
    »Wo gehen wir hin?«
    »Wohin können wir denn? Wie spät ist es?«
    »Noch früh. Lasst uns einfach bummeln. Habe ich schon mal erzählt, wie zwei Franzosen und ich Geld zusammengeschmissen haben, um auf einem Elefanten in den Dschungel zu reiten?«
    »Hab ich schon mal erzählt, woher das Martowskoje seinen Namen hat?«
    »Woher denn?«
    Wir standen noch eine Weile bei dem Lädchen herum und brachen dann auf zu ... Wir brachen einfach auf. In den Scheiben der Autos spiegelte sich blendend hell die Sonne. Auf einem Fensterbrett im Erdgeschoss stand eine Schüssel mit stinkenden Fischköpfen. Um sie herum hatten sich, wie Ferkel um die Muttersau, mehrere Katzen niedergelassen. Sie kauten konzentriert und legten die Ohren an. Sie hatten spitze Schulterblätter und aufgeblähte Hungerbäuche. Es war die sonnige Seite der Straße. In den schmutzigen Katzenfellen verbarg sich ein goldenes Leuchten.
    Es war warm, fast wie im Sommer. Über den Häusern hing der Himmel, blau wie eine Schnapsdrossel. Die Pappeln erinnerten an die verkrüppelte Venus von Milo. Anstelle der abgebrochenen Arme hatten sie sich ein paar Dutzend Finger direkt aus dem Torso wachsen lassen. Die Passanten waren ganz närrisch vor Freude, dass man einfach im Pullover aus dem Haus gehen konnte. Alle blinzelten und lächelten. Umwerfende Mädchen liefen herum. Lag es am Bier, oder sind sie im Frühling tatsächlich besonders hübsch?
    Wir hätten uns gern irgendwohin gesetzt, aber das war nicht so einfach. Nach den langen Wintermonaten waren die Bänke schmutzig und grau. Bei jeder Bank schimmerte eine dunkle Pfütze. Wo es etwas sauberer war, saßen feierliche Omas. In ihren Kopftüchern und zu engen Mäntelchen wirkten sie wie Schneemänner einer besonderen, hitzebeständigen Rasse. Ich war schon hundert Jahre nirgends mehr hingefahren. Ich hatte vergessen, wie das ist: durch die Zollkontrolle gehen, in den Geschäften Englisch sprechen.
    »Wenn ich nicht dort gewesen wäre, würde ich dir nichts versprechen. Verstehst du? Aber ich war dort! Ich habe das alles selber gesehen! Man geht über die Straße – einfach über die Straße – wie heißt sie noch – und mitten auf der Straße sitzt im Lotossitz ein nackter Mann. Mit Bart. Er schreibt irgendwas. Experience, ah? Ich bin mal durch Madras gegangen, da kommt ein Typ auf mich zu und sagt: ›Mister, soll ich Ihnen die Schuhe putzen?‹ Ich denke, was zum Henker gibt‘s da zu putzen?! Ich hatte ja bloß diese Leinenschuhe an! Du weißt schon, diese ... Aber er sagt: ›Ihr Weißen ...‹«
    »Die Geschichte hast du schon fünfhundertmal erzählt.«
    »Spricht man in Indien in den Geschäften Englisch?«
    »Nur Englisch!«
    Ich trank die Flasche aus und warf sie unter einen Baum. Eine Schmutzfontäne spritzte auf.
    »Should we stay, or should we go?«
    »Wirklich. Wieso stehen wir hier rum? Ich hab keinen Bock mehr, hier rumzustehen.«
    Ich fragte mich, wann Gleb es wohl leid sein würde, mich zu bewirten. Olja hatte sich nach ein paar Runden suchend umgesehen, dann Gleb ihr Bier gegeben und gesagt, sie würde gleich zurückkommen. »Es fä-äängt an«, sagte er. Ich hielt durch. Fängt es erst mal an, muss man alle zwanzig Minuten in einem Torweg verschwinden.
    Auf dem Balkon des Hauses gegenüber tranken mehrere Männer aus weißen Bechern. Als Olja aus dem Torbogen trat und Gleb die Flasche abnahm, schauten sie sich an und wieherten laut los.
    »Vielleicht sollten wir wirklich irgendwohin gehen?«
    »Zum Beispiel?«
    »Vielleicht in die ›Fish Fabrique‹«?
    »Guck mal auf die Uhr. Um diese Zeit sind die Clubs noch geschlossen.«
    »Hast du Geld?«
    »Ich hab keins, und ich hatte auch keins.«
    »Aha. Was sollen wir machen?«
    »Denk dir was aus.«
    »Ich denke. Aber es fällt mir nichts ein.«
    »Sollen wir ins Squat gehen, zu den Schiffern?«
    »Zu den Schiffern?«
    »Von mir aus auch zu den Bergleuten! Hauptsache, wir gehen endlich!«
    »Olja, die Schiffer haben einen Hund.«
    »Ich hab keine Angst vor Hunden.«
    »Aber ich.«
    In einem Keller an der Tschaikowskaja kaufte Gleb Bier für uns und Alazan Valley für die Schiffer. Kurz vor dem
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