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Machen Sie sich frei Herr Doktor!

Machen Sie sich frei Herr Doktor!

Titel: Machen Sie sich frei Herr Doktor!
Autoren: Richard Gordon
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- vielleicht noch bei anderen wichtigen Gelegenheiten gebraucht wurde, bei der Parlamentseröffnung oder einer Flottenparade.
    Er öffnete den Schirm, um sicher zu sein, daß er keine Löcher hatte. Dann probierte er ein oder zwei königliche Schirmhaltestellungen - Arm gebeugt, Arm ausgestreckt, Ellbogen abgewinkelt, Ellbogen eingezogen - und marschierte im Büro seiner Sekretärin auf und ab, wie die Garde bei einem Begräbnis. Wieder sah er auf die Uhr. Eine Minute nach zwölf. Noch neunundzwanzig Minuten bis zur Stunde Null. Er schloß rasch den Schirm, nahm ihn unter den Arm und eilte zum Aufzug zurück.
    Der Dean drückte den Knopf. Er wartete. Er drückte nochmals. Er sah auf die Uhr. Zwölf Uhr zwei. Er klopfte mit dem Fuß. Noch zweimal drückte er. Dann hörte er einen dumpfen Laut zu seinen Füßen. Er bückte sich und legte das Ohr an den Spalt der Aufzugtür.
    »Um Himmels willen, bring uns hier heraus«, sagte Professor Oliphant.
    »Wo bist du?« fragte der Dean entgeistert.
    »Wo denn, glaubst du? In dem verdammten Aufzug natürlich. Ich hänge nicht an den Fersen im Schacht und spiele Dracula.«
    »Ist er steckengeblieben?«
    »Offensichtlich. Ich hätte klüger sein sollen. Ich hätte die dreißig Stockwerke hinuntergehen sollen. Ich hätte wissen müssen, daß diese diabolische Maschinerie selbstverständlich, unabänderlich und ganz vorhersehbar steckenbleiben wird, wenn die Königin kommt.« Der Dean sah nach rechts und links. Keine Hilfe in Sicht. »Wie weit bist du gekommen?«
    »Eine sinnlose Frage. Wenn du es genau wissen willst, mein Gesicht ist bei deinen Schuhen. Und jetzt unternimm etwas.« Eine Folge von hohen Quietschtönen kam aus dem Aufzug. »Was ist denn das?« fragte der Dean erschrocken.
    »Ich weiß nicht, aber vermutlich heißt es: >Ich kenne bessere Möglichkeiten, den Vormittag zu verbringen<, auf japanisch. Ich bin hier nämlich nicht allein«, fuhr Professor Oliphant gelassen fort. »Ich befinde mich in Gesellschaft von sechs berühmten Medizinern aus sechs verschiedenen Ländern, von denen keiner die Sprache des anderen spricht und bestimmt nicht meine. Auch dein Sultan ist hier. Von allem andern ganz zu schweigen, wird dieser Morgen das Ende der EWG sein und möglicherweise auch der Vereinten Nationen.«
    »Aber was soll ich nur tun?« wehklagte der Dean.
    »Geh in den verdammten Maschinenraum hinauf«, knurrte Professor Oliphant wütend. »Ich zeigte dir letzten Montag, wie man dieses Zeug wieder flottmacht. Man drückt auf den roten Hebel, der sich hinter den Rädern in der hintersten Ecke befindet.«
    »Gut, gut.« Immer noch mit dem Schirm bewaffnet, ging der Dean auf die Tür der Feuertreppe zu. In dem Gefühl, den Spitalsgästen in ihrer Bedrängnis irgendeine Aufmunterung schuldig zu sein, rief er hinunter: »Ne pas se pencher dehors.«
    Der Maschinenraum war im nächsten Stockwerk. Sieht Professor Oliphant ähnlich, dachte der Dean empört, in einem solchen Augenblick einen Zwischenfall herbeizuführen. Er öffnete die Tür und sah sich um, während er sich zu erinnern versuchte, wo der rote Hebel war. Er mußte zugeben, daß er Oliphants Vortrag über die Launenhaftigkeit von Aufzügen nicht sehr aufmerksam gefolgt war.
    Eine wertvolle Minute verstrich, dann fand er endlich den Hebel. Er drückte ihn hinunter, und sofort begann es zu surren. Etwas Warmes tropfte auf den Dean. Einen gräßlichen Augenblick lang dachte er, es sei Blut — vielleicht hatte er die ganze Gesellschaft durch sein Manipulieren zu Hackbraten gemacht. Als er ans Licht stürzte, sah er jedoch, daß es nur Öl war. Er lief die Treppe hinunter und betupfte die Flecken mit seinem neuen Batisttaschentuch. Neben dem Aufzug standen die sechs geretteten Spezialisten, Professor Oliphant im Cut und der Sultan in einer perlenbestickten Robe und Turban. Alle waren damit beschäftigt, ihre etwas mitgenommene Kleidung zu glätten. »Diesen Aufzug riskiere ich nicht mehr«, sagte der Professor. »Wir gehen die Treppe hinunter. Großer Gott, Dean! So kannst du nicht vor der Königin erscheinen.«
    »Es sind ja nur ein paar Ölspritzer —«
    »Ein paar Spritzer! Du bist davon übersät. Große fette Kleckse. Ich warnte dich damals, daß es dort oben schrecklich schmutzig ist.«
    In der Glastür des Notausganges betrachtete der Dean sein Spiegelbild. »O mein Gott«, rief er wütend, »was soll ich tun? Und das alles ist deine Schuld.« Er wandte sich an Oliphant. »Nur du bleibst in diesem gottverdammten
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