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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman
Autoren: Martin Smaus
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Leere, und Fero war, als sei er in eiskaltes Wasser gefallen, er traute den eigenen Augen und dem leeren Handgelenk nicht, sogar die Schmerzen in seinem arg zugerichteten Rücken waren auf einmal weg, denn ohne Uhr und ohne Gold stand er da wie ohne Hose, ganz nackt   … In seinen Augen loderten Flammen auf.
    |12| Wer war das, wer von euch, ihr
degesi
, ihr Hundefresser, wer war so dreist, es mit mir aufnehmen zu wollen, mit mir, Fero!, schrie der Onkel. Der soll zur Hölle fahren und bis zu seinem Tod nur Hundescheiße fressen,
miro khul tiri bacht te marel
, er rollte mit den Augen, sprang den Herumstehenden an die Gurgel und verfluchte alle aufs Furchtbarste.
    Aber nach einer Weile, als er sah, dass sein Geschrei sinnlos war, ließ er alle zusammenrufen und verkündete: Unter euch ist einer, der ist besser und geschickter als ich. Der wird euch eines Tages berühmt machen, auf den werdet ihr stolz sein   … Die erstaunten Dunkas wurden still, fingen aber gleich wieder an zu schwatzen, fuchtelten mit den Armen, und es dauerte eine Weile, bis sie Andrejko bemerkten, der sich zwischen ihren Beinen nach vorne schlängelte. Aus seinen schmutzigen, rußigen Händen leuchtete es golden, wie eine Sonnenblume mitten auf einem vereisten Feld, wie eine aus Schlamm und Rauch aufsteigende Sonne   … Und alle verstummten, und einer nach dem anderen machten sie dem Kleinen den Weg frei.
    Wie eine Vogelscheuche, nur mit einem dünnen Hemd bekleidet, und einer Hose, die an einer quer über die Schulter gebundenen Schnur hing, stand der schmuddelige Andrejko mit seiner Schnoddernase vor dem angeschlagenen Fero   – in der einen Hand hielt er die Goldkette, in der anderen die Armbanduhr   – und lächelte selig.
    Und alle bestaunten seinen Mut und seine Geschicklichkeit und beschlossen, ihn mit Fero nach Prag zu schicken, damit er dort etwas Ordentliches lerne.
     
    Dezider Dunka, der Mann von Andrejkos schöner Mutter, stand ganz hinten. Als er die Ähnlichkeit zwischen dem verlebten Gesicht von Onkel Fero und Andrejkos glatten Wangen |13| bemerkte, verbarg er seinen Kopf in den Händen und weinte lange und bitterlich.
    Auch Mária weinte, als sich ein paar Tage später der Onkel wieder berappelt hatte und sie Abschied von ihrem einzigen Sohn nehmen musste. Die ganze Nacht blieb sie an Andrejkos Seite, streichelte seine kleine Hand, drückte sie immer wieder, und Tränen liefen über ihre Wangen. Im flackernden Schein der Petroleumlampe glänzten sie wie kleine Glasperlen. Als sie morgens das Frühstück bereitete, fiel ihr alles aus den Händen, und sie setzte sich zu Andrejko und sah zu, wie der Kleine mit den
loksche
, den Kartoffelfladen, kämpfte, wie er Marmelade über sein Hemdchen schmierte und die Finger in den Haaren abwischte. Sie selbst bekam keinen Bissen hinunter, vor Schmerz und Verzweiflung war ihre Kehle wie zugeschnürt.
    Als Andrejko aufgegessen hatte, schloss sie ihn sanft in die Arme und küsste ihn. Mein liebstes Kindchen, flüsterte sie und zitterte wie Espenlaub. Auf einmal drückte sie ihn so fest, als wolle sie ihn zerdrücken, ihm die Seele aus dem Leib pressen, damit er für immer bei ihr, in ihren Armen bliebe, sie küsste ihn aufs Haar, weinte und schrie so sehr, dass man ihr den Kleinen entreißen musste.
    Da trat Onkel Fero schon von einem Fuß auf den anderen, sah ungeduldig auf seine verlorene und wiedergefundene Armbanduhr, und deutete auf die Straße.
    Mária konnte Andrejko noch ein silbernes Kreuz um den Hals legen, das einzige Schmuckstück, das sie von ihrer Mutter bekommen hatte, bevor sie von Dezider nach Poljana geholt worden war, und schon drängte man sie zurück in die Hütte und schob ein Brett vor die Tür. Vergeblich trommelte sie gegen das harte Holz, vergeblich schrie und weinte sie. Schließlich brach sie auf dem festgetretenen Lehmfußboden |14| zusammen und streute sich Asche ins aufgelöste Haar und in die verzweifelten Augen.
    Ihre ganze Welt, alles, was sie hatte, löste sich in Tränen und in Dunkelheit auf.
     
    Bachtalo tiro drom, Andrejko
, Glück auf deinem Wege. Runzelige Greisinnen sahen Andrejko und dem Onkel nach, auch die
stryga
Marika stand unter ihnen, die alte Hexe, die Zauberkräuter kannte und aus der Hand las und die im Vorjahr um ein Haar unter die Erde gekommen wäre, wenn das Jammern und Weinen der trauernden Dunkas sie nicht im Sarg geweckt hätte   … Auf ihre Stöcke gestützt blickten die alten Frauen den Pfad hinunter, auf dem der Onkel mit
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