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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman
Autoren: Martin Smaus
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Schicht und kam nicht zur Arbeit. An dem Tag explodierte im vierten Stock des Schachts das Grubengas, und unter den Schuttmassen |25| blieb auch Štefans Nachbar liegen, der junge Janoszek, der im Krieg alles verloren hatte und nur des Geldes wegen unter Tage fuhr, damit er sich zu Hause in Racibórz nicht vor seiner Graženka schämen musste   … Und als Štefan ein paar Tage später mit eigenen Augen sah, wie aus dem Drahtkäfig herausgeholt wurde, was von Janoszek übrig war, da war an seiner Entscheidung nicht mehr zu rütteln. Scheißmaloche, grölte er abends in der Kneipe und knallte das Halbliterglas wütend auf den Tisch, die Schweine haben einen Bergmann im Loch gelassen,
kurvy zajebany
, diese verdammten Arschlöcher   … Über den Schichtführer ließ er ausrichten, dass ihn keine zehn Pferde mehr in den Schacht hineinkriegten, er, Štefan, sei durch kein Soll und keinen Rekord mehr zu ködern, auf ein Bergmannsbegräbnis könne er gut und gerne verzichten, der Steiger solle sich die Moneten in den Arsch stecken und alleine in die Grube einfahren   … Ida zeterte herum, welcher Teufel hatte sie bloß geritten, ihn zu heiraten, und die Nachbarinnen, denen sie gestern stolz ihr neues Kleid vorgeführt hatte, setzten noch eins drauf: Wo ist denn dein Kohlebaron geblieben, fragten sie, wozu ist ’ne Henne gut, die nicht legt, wozu ein Kerl, der nichts nach Hause bringt   … Aber Ida und Štefan hatten schon den kleinen Imro, und da Ida mit dem zweiten Kind schwanger war, musste sie die Klappe halten.
    Mit seinen Kumpels, den
chachary
, den starken Kerlen von Ostrava, die an einem Abend mehr durch ihre Kehlen jagten als andere in einem ganzen Monat, mit denen konnte Štefan nicht mehr mithalten, ohne Geld war er nicht mal für die Mädchen interessant, und die keifende Ida wurde unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückgeworfen und landete wieder zwischen den Zigeunern   – zwischen Zigeunern, die im Abfall wühlten und auf den Halden von Zarubek Kohle |26| klaubten, zwischen alten Frauen und dreckigen Kindern, die sich um die Mülltonnen drängten, zwischen den schmutzigen und zerlumpten Zigeunern, über die sie noch gestern die Nase gerümpft hatte, weil sie im Müll wühlten und Hunde aßen   … Ida und Štefan kehrten reumütig zu ihrer Muttersprache,
romaňi čhib
, und ihren alten Bräuchen zurück. War das Wetter schön, stellten sie den Herd in den Hinterhof und kochten draußen, war die Toilette verstopft und es fand sich keiner, der sie reparierte, gingen sie in den Keller oder um die Ecke ins Gebüsch, war ihnen kalt   – bei Kälte und Regen lag die Halde plötzlich so weit entfernt   –, rissen sie Holzplanken aus den Zäunen heraus und verheizten sie   …
    Vor der Kälte fürchtet sich ein Zigeuner wie vor dem Tod. Eines Nachts hörten die Nachbarn ein Getöse, als würde jemand die Decke durchbrechen. Es wollte ihnen keine Ruhe lassen und sie gingen hinauf, dort fanden sie Štefan, der mit einem Krampen die Dielen aus dem Boden herausbrach, um sie klein zu hacken und zu verfeuern, weil es ihn gefröstelt hatte. Eine Woche später, als die letzten Bretter verheizt waren, schnappte sich Štefan die Säge und machte sich über die Dachbalken her, aber die übrig gebliebenen Balken konnten den schweren Dachstuhl nicht mehr tragen. Dachziegel fielen auf den Bürgersteig herab, ein Schornstein kippte um, und im obersten Stockwerk klaffte ein zwei Finger breiter Riss in der Mauer. Da zog Štefan zum Ortsamt und pöbelte dort, die Gadsche sollten endlich ihre Hintern hochkriegen und sich ansehen, wo seine Kinder leben mussten, und dabei schlug er mit den Dachziegeln auf den Tisch, die er auf der Straße aufgelesen hatte. Ein paar Tage später rückte eine Kommission an. Frauen in langen und bunten Röcken standen vor der Tür, sie brabbelten, schrien und versuchten die Beamten ins Haus zu zerren, diese fürchteten aber, das |27| Haus könne jeden Moment einstürzen, vor lauter Angst blieben sie lieber draußen und begnügten sich damit, johlende Kinder und flinke Hände zu verscheuchen, die es auf ihre Jackentaschen abgesehen hatten. Ängstlich pressten sie ihre Aktenmappen an die Brust und trafen noch auf der Straße die Entscheidung, das Haus, welches zwei Weltkriege überdauert und erst vor einem Jahr den Dunkas zugewiesen worden war, müsse abgerissen werden.
    Damals ging man in Nová Huť und in Vítkovice dazu über, die Filter nachts auszuschalten, damit die Öfen besser
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