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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman
Autoren: Martin Smaus
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der Stahlwerke erleuchtet, die Stadt funkelte und explodierte in den Schnapsläden, Kneipen und Spelunken, dort schmiss man gleich eine Runde für alle, dort kriegte man auch schnell was auf die Fresse, ohne zu wissen, warum. Ostrava lebte in drei Schichten, einen
fajront
, einen Feierabend, gab es nicht, das Leben lief auf vollen Touren. Die Räder der Fördertürme, die breitbeinig über der Stadt ragten, standen nicht einmal nachts still, der glühende Fluss aus Roheisen, der in der Karolina oder in der Nová Huť beim Abstich aus dem Schmelzofen strömte, kühlte selbst an den Feiertagen nicht ab, und auch die Fasshähne und die flinken Hände der Schankwirte kannten bis zum Morgengrauen keine Pause. In Ostrava trank man bis zur Bewusstlosigkeit und bis zur Neige   … Weiße Pferde galoppierten über die Stadt, über den verrußten Häusern waren die Sterne selten zu sehen, und in den Straßen roch es nach Koksgas, Männerschweiß und Teer, nach Bier und Zwiebeln.
    Die Menschen, die nach Ostrava kamen, wurden wie in einem Zaubertiegel verschmolzen: arme Bergbewohner aus den Beskiden und aus Kysuce, Bauern aus Jablunkov, Polen |23| aus Těšín, dem zerstörten Warschau und aus Galizien, das durch die neue Grenze geteilt wurde, Walachen aus ihren einsamen Gehöften und auch Tschechen, die hierher zum Arbeitseinsatz geschickt worden waren, manchmal auch zur Strafe.
    Wo gestern noch ein gemartertes Pferd einen Pflug über die magere steinige Erde gezogen hatte, dort pflügte der Mensch jetzt ganze Landschaften um. Wo abends noch der Wind über Grashalme und Stoppelfelder gestrichen hatte, dort stand am nächsten Morgen eine neue Stadt aus Beton und Ziegelsteinen, wo sich gestern noch die Häuser der alten Bergmannssiedlung geduckt hatten, dort ragte nun eine Halde gen Himmel, und wo einst nur ein paar ausgemergelte Kühe gegrast hatten, dort glänzte das Wasser der Klärteiche und Seen, die das umgegrabene Land überschwemmt hatten. Ein Spinnennetz aus Drähten, Rohrleitungen und beißendem Rauch hüllte diese Landschaft ein, und die Wege, die Röhren und Leitungen führten von nirgendwo nach nirgendwo   …
    Obwohl die Lohntüte eines Bergmanns ziemlich prall gefüllt war, brauchte Štefan trotzdem nur ein paar Tage, um das Geld für Schnaps oder junge Frauen auszugeben, für Frauen, die nach dem Zahltag scharenweise vor dem Schachttor auf die stinkreichen und ewig geilen Bergleute warteten. Sich amüsieren und das Leben genießen, das konnten diese Mädchen gut, sie ließen sich gerne ins Wohnheim oder auf eine Parkbank einladen, notfalls auch zu einem Baum führen, um dort wenigstens im Stehen eine Nummer zu schieben, denn die Bergleute mit ihren mächtigen Schultern, tätowierten Armen und den rußgeschwärzten Augen, die sie nach der Schicht absichtlich nicht wuschen, die waren hier der Adel, weil es ihnen auf ein paar Kröten nicht ankam.
    |24| Eine von den Bergmannsbräuten, eine von den schwarzen Rosen, die auf der Wasseroberfläche der Kohlenklärteiche und öligen Lagunen erblühten, war Ida.
     
    Ida liebte hübsche Kleider und tanzte gerne, und Štefan brauchte vor ihr nicht mal zu gockeln, es reichte, wenn er immer wieder ein paar zerknitterte Hundert-Kronen-Scheine aus der Hosentasche zog. Als Ida ihn zum Mann nahm, meinte sie, für den Rest des Lebens ausgesorgt zu haben, aber ihrem Schatz hatten es weder der Abbauhammer noch die Grubenlampe angetan, nicht mal der Fäustel wollte ihm ans Herz wachsen. Sein Leben lang hatte er die Sterne und den Morgenhimmel mit den Augen begrüßt, und jetzt musste er sich einen Wecker kaufen, damit er die Schicht nicht verschlief, damit er sich in einen Drahtkäfig quetschen und unter die Erde fahren konnte, bis an den Rand der Hölle, in das stickige Kohlenflöz, in dem von Zeit zu Zeit unheilvoll die Stollenzimmerung knarzte, als wäre sie nicht aus schweren Holzbalken, sondern aus Streichhölzern gebaut.
    Seine uralte, nicht zu bändigende Angst vor den vielen Hundert Metern lebendiger Kohle und tauben Gesteins über dem Kopf suchte Štefan mit Schnaps und Bier zu betäuben. Gleich nach
fajront
begab sich die ganze Brigade samt Vorarbeiter in die Schenke, und mit der Zeit wurde der Schnaps immer stärker und die Bergmannsbräute wurden süßer und jünger.
    Ida störte sich nicht daran, dass sie Štefan teilen musste. Sie war nur rasend vor Wut darüber, dass Štefan mit diesen Nutten und Schicksen sein Geld verjuxte.
    Und eines Tages verbummelte Štefan die
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