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Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Mach mal Feuer, Kleine - Roman

Titel: Mach mal Feuer, Kleine - Roman
Autoren: Martin Smaus
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zogen, und ganz Ostrava erstickte im beißenden Rauch. Als Štefan und Ida mit ihren Kindern zum Bahnhof zogen, tränten ihnen die Augen.
     
    Der Zug brachte sie mitten ins Gelobte Land, nach Prag, das aus Stein und Kalk errichtet worden war, in die Stadt der goldenen Dächer, der schlanken Türme, Synagogen und Kirchen, von denen die wichtigste, der Veitsdom, auf dem Hradschin steht und bei Vollmond leuchtet, weil in seinen Grundfesten ein keltischer Menhir vergraben liegt   … Den Dunkas, gewöhnt an goldenes Laub, Feuer und Rauch, gingen in der Stadt der Astronomen, Alchimisten und wundertätigen Rabbiner die Augen über, in dieser Stadt der Wetterfähnchen, astronomischen Uhren und ausladenden, wie mitten in der Bewegung erstarrten Statuen konnten ihre Blicke keinen Halt finden, und ihre Füße, vertraut mit Schlamm und duftendem Gras, stolperten durch die dunklen, kopfsteingepflasterten Gassen, durch die vor nicht allzu langer Zeit alte Fuhrmannswagen gerattert waren und wo Schlag Mitternacht ein kopfloser Ritter galoppierte, ein Ritter schwarz wie die Nacht, von dessen Pferdes silbernen Hufen die Funken stoben, wenn sie das Pflaster berührten   …
    |28| Aber die goldenen Türme und erhabenen Kirchen interessierten die Dunkas nicht. Eine Zeit lang lebten sie in Libeň, es war wie früher, sie campierten unter freiem Sternenhimmel, der breite Fluss spülte Schwemmholz für ihre blakenden Feuer heran, die tagein und tagaus brannten, am Ufer der Moldau oder bei Regen unter der Brücke. Dort brachte Ida den kleinen Marián zur Welt und ein Jahr später Jolanka   … Aber dann trat der Fluss über die Ufer, und Štefan schleppte Ida und die Kinder zum Ortsamt, dort machten sie es sich im Flur gemütlich, als wollten sie für immer bleiben, und bekamen gleich am selben Tag die Zuweisung und die Schlüssel für eine Wohnung ausgehändigt, für ein kleines Zimmer mit Küche im ersten Stock eines Mietshauses in Žižkov.
    Sie brauchten lange, bis sie verstanden hatten, warum ihnen darin so kalt war. Der Innenhof war sehr eng, und nicht einmal im Sommer schien die Sonne in ihre Fenster hinein.
     
    Die Jahre im Schacht, vor allem aber seine Bergmannsrente brachten Štefan einen Höllenrespekt ein, keiner der Dunkas würde freiwillig unter Tage fahren, da könnte man ihnen das Blaue vom Himmel oder pures Gold versprechen. Daher war Štefan auch nie um Ohrfeigen oder um Schimpfwörter verlegen, er sagte auch nie: Imro, hör auf zu nerven und putz endlich die Schuhe, er brauchte bloß auf die Tür zu zeigen und zu bellen: Schuhe spiegelblank!, und schon ließ der kleine Imro alles liegen, holte schnell Wasser von der Pawlatsche und schrubbte und putzte, bis alle Schuhe glänzten.
    Štefan ließ keinen Zweifel daran, dass er derjenige war, der die Zügel in der Hand hielt. Er duldete nicht, dass ihn einer überflügelte. Wer seine Hörner zeigte und nach vorne drängelte, der musste weg.
    Anders ging aber auch nicht. Wer von Zeit zu Zeit nicht |29| die tobenden Bengel in ihre Schranken wies, wer seine Frau nicht schlug, keine Schränke, Stühle oder wenigstens Hocker zertrümmerte, der konnte unmöglich ein echter Kerl sein, der handelte sich nur Spott ein, dem glaubte nicht mal die eigene Frau, dass er sie liebte. Und würde er nur einmal kneifen wollen, würde er sich sträuben, auf der Straße einen fairen Faustkampf auszufechten, da käme sie nie wieder zu ihm unter die Bettdecke gekrabbelt.
    Die Wohnung quoll bald über von Dunkas, die Verwandten kamen und gingen, und Andrejko wusste kaum noch, wer zu wem gehörte. Jeder, ob alt oder jung, war ein
bači
, Onkel, sogar Štefans Söhne sagten manchmal zu ihrem Papa
bači
statt
dadko, dadoro
.
    Um Geld zu sparen, zapften die Dunkas den Strom im Flur an, das Wasser holten sie von der Pawlatsche und geheizt wurde mit dem, was die Kinder nach Hause brachten, denn die Kohle zu kaufen wäre keinem in den Sinn gekommen. Außerdem bekam Štefan schon beim bloßen Anblick eines Kohlenkastens die Krätze   … Manchmal brachten die Kinder nichts zum Heizen mit, dann zitterten alle vor Kälte und suchten das Weite, nur um dem tobenden Štefan zu entkommen, manchmal kamen sie auch lieber gar nicht nach Hause und zogen bis zum Morgengrauen durch die Straßen.
    Die kleine und feuchte Wohnung war den Dunkas zu eng, eng wie ein eingelaufener Pullover oder ein Kleid aus dem Vorjahr, der Innenhof unter den Pawlatschen reichte auch nicht, und so verbrachten die Kinder die meiste Zeit
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