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Macabros 119: Flieh, wenn der Schattenmann kommt

Macabros 119: Flieh, wenn der Schattenmann kommt

Titel: Macabros 119: Flieh, wenn der Schattenmann kommt
Autoren: Dan Shocker
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den Boden und begann dann damit, der
halb Bewußtlosen die zerfetzten Kleider vom Leib zu ziehen.
Alle Toten lagen unbekleidet in den Särgen.
    In dem Moment, als Caliko sich bückte, handelte Shawn, der
Verwunschene.
    Er wußte, diese Chance kam so schnell nicht wieder.
Außerdem würde er kaum ein zweites Mal die Gelegenheit
finden, diesem Mädchen zu helfen. Entweder es gelang jetzt
– oder nie.
    Er setzte alles auf eine Karte.
    Er löste sich aus dem Dunkeln des Höhlengewölbes,
stürzte sich blitzschnell auf den Schlangenstab, packte ihn mit
seinen beiden Füßen und hob ihn empor.
    Die Spitze des Schlangenstabes deutete auf Calikos Nacken. In dem
Moment, als sie sich erhob, um die Gestrandete in den Sarg zu legen,
flog Shawn auf sie zu.
    Er zielte auf das Weiß ihres Nackens, das durch das wellige
rote Haar schimmerte.
    Caliko schrie gellend auf.
    Was geschah, überraschte ihn selbst.
    Der Schlangenstab bohrte sich in Calikos Nacken wie in eine
weiche, nachgebende Masse.
    Shawn stürzte sich mit beiden Füßen auf den Kopf
der Zauberin, die taumelnd nach vorn stürzte, über die am
Boden Liegende stolperte – und in den offenen Sarg fiel, vor dem
sich das ganze ungeheuerliche Geschehen abspielte.
    Die Hexe und Zauberin fiel nach vorn wie ein Stein. Ihr Schrei
hallte nervenzermürbend durch die Erdhöhle.
    Caliko veränderte ihre Gestalt, als sie die Glaswand des
Sarges berührte. Ihre menschliche Erscheinung verging, sie wurde
zu dem Monster, das Shawn im magischen Licht des Vollmondes
beobachtet hatte.
    »Rache… Fluch!« hallte Calikos Stimme schaurig
durch die rätselhafte Höhle mit den gläsernen
Särgen. »Du wirst mir nicht entkommen, Shawn… du hast
mein Gesetz übertreten… ich werde bei dir sein, egal, wohin
du auch gehst, und es wird die Stunde kommen, da werde ich mich von
dir lösen und wieder selbständig sein… meinen Schatten
wirst du dann nicht mehr losbekommen. Es sei denn, du würdest
zurückkehren auf die Insel, um die Särge zu zerstören.
Aber dazu wirst du nicht mehr in der Lage sein, weil in der Stunde,
da ich mich in dir bemerkbar machen werde, dein Leben verlöscht
wie die Flamme einer Kerze.«
    Er hörte die furchtbare Drohung und merkte, daß er von
einer unsichtbaren Hand gepackt und durch die Erdhöhle
geschleudert wurde. Licht und Schatten wurden eins, schwarze Blitze
zuckten von den flackernden Flammen der Fackeln auf ihn zu und warfen
ihn zu Boden. Es krachte und donnerte, die Erde bebte, Sand rieselte
von der Decke der Höhle herab.
    Shawn stürzte, und dann wußte er nichts mehr von
sich…
     
    *
     
    Als er erwachte, wollte er instinktiv seine Flügel bewegen
und sich mit dem Schnabel abstützen.
    Aber – er hatte keine Flügel und keinen Schnabel
mehr!
    Sein Rabendasein war beendet. Er lag am Boden, halb von Sand
bedeckt, richtete sich auf und klopfte den Schmutz von sich.
    Er fühlte sich einerseits glücklich, andererseits doch
schwach und elend. Neben ihm lag das Mädchen. Es kam zu sich und
er erklärte ihr, was geschehen war.
    Sie schlüpfte in ihre schmutzigen, nassen Kleider und war ihm
auf die Beine zu kommen, behilflich. Sie taumelten aus der
Erdhöhle der Zauberin ins Freie, kämpften sich durch das
dornige Gestrüpp und das Dickicht und suchten die Bucht auf, in
der das Boot lag.
    Shawn Addams merkte, daß das Gehen ihm schwerfiel.
    Aber er hielt durch. Er war wieder Mensch, Caliko lag als Monster
in dem gläsernen Sarg der Erdhöhle, der Schlangenstab in
ihrem Nacken hatte sich aufgelöst.
    Addams wußte nicht, wie lange die Bewußtlosigkeit in
der Höhle gedauert hatte. Er erinnerte sich an die Blitze, das
Chaos, seine Furcht und die dröhnende, grauenhafte Stimme der
Zauberin. Aber was sie ihm angedroht hatte, daran erinnerte er sich
im einzelnen nicht mehr.
    Die beiden von der Zauberin der Insel Befreiten erreichen die
Bucht.
    Shawn Addams hatte den Wunsch, sein Spiegelbild im Wasser zu sehen
und sich als Mensch zu erkennen.
    Die ganze Zeit über war er ein Rabe gewesen. Wahrscheinlich
hatte Caliko ihn deshalb in einen Vogel verwandelt, weil auch
Rha-Ta-N’mys Lieblingsgestalt der Vogel war.
    Dann sah Addams sich, und ein grauenhaftes Stöhnen entrann
seiner Kehle.
    Er erkannte sich nicht mehr. Aus dem stillen, klaren Wasser
blickte ihm ein altes, bärtiges Gesicht entgegen. Er war auf der
Insel Calikos ein uralter Mann geworden…
     
    *
     
    Noch in der gleichen Nacht bereiteten sie alles für ihre
endgültige Flucht vor. Sie schafften
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