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Luther. Die Drohung

Luther. Die Drohung

Titel: Luther. Die Drohung
Autoren: N Cross
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Geschwüren befallene Fahrgestell des
verrotteten Wohnwagens. Reptilienartige Schwänze gleiten über Rostblasen.
    »So funktioniert das nicht«, sagt Luther schließlich. »Wenn ich Sie
laufen lasse und Sie gelogen haben, habe ich nichts in der Hand. Und Sie sind
ein Lügner, Henry. Das ist Ihr Problem. Sie sind ein Lügner.«
    Sie sitzen da.
    Madsen fragt: »Wie lange noch?«
    Luther schaut auf die Uhr. Er antwortet nicht.
    Er steht auf. Er geht zur Tür des Wohnwagens.
    Madsen fragt: »Wohin gehen Sie?«
    »Meine Frau anrufen.«
    Luther tritt ins Mondlicht hinaus. Nasses Gras reicht bis an seine
Knie. Schmalblättriges Weidenröschen. Teile eines Kinderwagens ragen daraus
hervor, der Bogen eines zerfressenen Ölfasses. Tief hängende Bäume, beschwert
von frischem Regen. Der bleiche, oxidierende Wohnwagen mit seiner verdorbenen
menschlichen Fracht.
    Er sieht dem Strahl eines fernen Hubschraubers zu, wie er die
Straßen abtastet. Auf der Suche nach ihm. Auf der Suche nach Madsen.
    Er schaltet sein Handy ein und ruft Zoe an.
    Ihr Handy klingelt und klingelt und klingelt.
    Er wartet.
    Zoe zuckt zusammen, als ihr Handy klingelt.
    Sie greift hastig danach. Es ist John.
    Sie blickt zu Mark, bevor sie abhebt. Er gestikuliert: Tu, was du nicht
lassen kannst.
    Also stellt Zoe sich nackt in die Mitte von Marks Wohnzimmer, in die
Decke gehüllt wie eine römische Statue.
    Mark bleibt splitternackt auf dem Sofa sitzen, legt sich ein
marokkanisches Kissen auf den Schoß, dreht zur Beruhigung einen Joint.
    In einer besseren Welt, in einer fröhlicheren Nacht, wäre das
lustig.
    Zoe nimmt den Anruf entgegen. »John?«
    Er hört ihre Stimme seinen Namen sagen. Zwanzig Jahre
Liebe darin.
    »Zoe«, beginnt er. Die Einsamkeit und die Dunkelheit lassen seine
Stimme beinahe wie ein Flüstern klingen.
    Er sagt: »Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
    »Wo bist du? Alle suchen nach dir.«
    Er sieht, wie der Scheinwerfer des Helikopters die Gärten absucht,
Beete, Vorstadtschuppen. »Das kann ich dir nicht sagen.«
    »Wir haben Angst um dich«, sagt sie. »Alle machen sich große Sorgen.
Komm nach Hause.«
    »Ich kann nicht. Ich habe mich verirrt. Ich weiß nicht, wo ich bin.«
Mehr als alles andere auf der Welt will er jetzt bei ihr sein, sie nackt und
warm in den Armen halten. »Ich brauche Hilfe«, sagt er. »Ich brauche deine
Hilfe.«
    »Was immer ich tun kann«, antwortet sie. »Was immer es ist.«
    »Ich hab ihn«, sagt Luther. »Den Mann, der das getan hat. All diese
schrecklichen Dinge. Ich hab ihn.«
    »John, das ist …«
    »Aber das kleine Mädchen, das er entführt hat. Er hat sie irgendwo
vergraben. Sie lebendig vergraben. Ich weiß nicht, wo sie ist. Ihr bleiben nur
noch ein paar Minuten. Sie hat Angst. Genau jetzt. Sie ist in einer Kiste unter
der Erde, und sie hat Angst. Sie stirbt. Aber er sagt mir nicht, wo sie ist. Er
genießt es. Den Schmerz, den er anderen zufügt. Die Macht, die er hat. Er will
sie lieber sterben lassen.«
    Er wartet auf eine Reaktion. Aber es ist nur Schweigen in der
Leitung.
    Er sagt ihren Namen.
    Und immer noch dieses Schweigen.
    »Ich könnte ihm etwas antun«, sagt er schließlich. »Dann, glaube
ich, könnte ich sie finden.«
    Jetzt kann er hören, dass sie schluchzt. Versucht, es zu
unterdrücken.
    »Aber ich müsste ihm etwas Schlimmes antun«, fährt er fort. »Ich meine,
etwas wirklich Schlimmes. Deswegen musst du mir sagen, was ich machen soll. Was
ist das Richtige? Du musst es mir sagen. Ich brauche deine Hilfe.«
    Zoe weint. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, antwortet sie. »Ich
weiß es nicht. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Es tut mir leid. Ich weiß es
nicht.«
    »Nein«, sagt Luther. »Nein, natürlich nicht.«
    Er legt auf. Er schaltet das Handy aus.
    Er schaut zum Mond, bis sein Herz sich beruhigt hat und seine Stimme
wieder etwas Kraft gewonnen hat. Dann schaltet er das Handy wieder ein und ruft
Ian Reed an.
    Henry hört den Inhalt des ersten Gesprächs nicht. Aber er
kann Körpersprache gut deuten.
    Er sieht, dass Luther sich zu etwas entschlossen hat. Sein Kopf
lastet schwer auf seiner Brust.
    Henry wendet sich zum Fenster des Wohnwagens, versucht es
aufzuschieben.
    Es gelingt ihm nicht.
    Es ist zugerostet.
    Dann fährt er mit einem gierigen Finger die Fensterdichtung entlang.
Das Gummi ist hart und rissig geworden. Es ist brüchig und zerbröckelt, wenn
man es berührt.
    Henry stemmt sich gegen den Esstisch. Er presst die Handflächen ans
Fenster.
    Er drückt und
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