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LustSpiel

LustSpiel

Titel: LustSpiel
Autoren: Jennifer Schreiner
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zwei Sorten von Streberinnen: Die einen, die von Gott mit einer überragenden Intelligenz gesegnet waren und in ihr aufgingen. Und die, die sehr intelligent waren und darüber hinaus kein Leben, kein Aussehen und keine Freunde hatten.
    Die rote Brille war definitiv letzteres gewesen.
    Verzweifelt versuchte ich mich an ihren Namen zu erinnern und an etwas Nettes, was ich über die Person, die sie mal gewesen war, sagen konnte. – Während ihre Augen das sagten, was sie selber wahrscheinlich nie aussprechen würde: „Ich bin nicht beleidigt, ich würde mich auch nicht mehr an mich erinnern, wenn ich nicht zufällig ich wäre.“ Für Sekunden wurde ihr Blick traurig.
    „ Michaela?“ Meine Augen scannten, ohne mein Zutun, noch einmal ihre Figur und ihr Gesicht. „Was hast du gemacht?“
    Sie lachte leise, als hätte sie mit meiner unsensiblen Frage gerechnet. „Ich bin erwachsen geworden.“
    Plötzlich wollte ich gerne wissen, wie es ihr gelungen war, dass Märchen vom hässlichen Entlein in ihr Leben zu holen und zum schönen Schwan zu werden. Vielleicht waren solche Frauen anders, weil sie nicht gewohnheitsgemäß ihren Körper einsetzten, um zu bekommen, was sie wollten?
    Ich sah demonstrativ auf die Uhr. „Ich habe gleich Feierabend.“
    Ohne zu Zögern ging sie auf meine unausgesprochene Frage ein und erkundigte sich: „Wollen wir etwas trinken gehen?“
    Erleichtert atmete ich auf. Das war einfach gewesen! „Gerne!“
    Sie trat an mir vorbei und ich folgte ihr auf dem Fuße, wollte sie auf keinen Fall entkommen lassen, bevor ich nicht wusste, wie und wieso sie sich so verwandelt hatte.
    Als sie die Tür öffnen wollte, griff ich an ihr vorbei und hielt sie ihr – ganz Gentlemen – auf, um sie hinter uns abzuschließen.
    Wir überquerten die Straße nebeneinander. Schweigend. Das „Loco“ gegenüber war eine dunkle Bar für Künstler mit melancholischer Musik, die die Sehnsucht weckte. Erinnerungen an flüchtige Liebe.
    Ich bestellte einen schwarzen Tee, um wach zu werden, sie einen Gin Tonic. Vielleicht war sie nervös?
    „ Wieso arbeitest du in einer Sportboutique, ich dachte als Referendar wird man früher oder später Lehrer?“, begann Michaela unverfänglich.
    Ich erinnerte mich an die unzähligen Schulstunden, zäh wie Sirup und die ewig gleichen Fragen und anzüglichen Augenaufschläge der Mädchen. Die gehässigen und neidvollen Blicke der Jungen, die mitbekamen, welche Wunschvorstellungen Mädchen wirklich hatten.
    Ich erinnerte mich an die unglaublich jungen Jungfrauen, die sich mir so leicht als Opfer angeboten hatten – und vor denen ich noch heute zurückschreckte.
    Was nutzten Schwärmereien und Herzen die sich leicht gaben und sich ebenso leicht zurück nahmen?
    Ich wusste, dass ich mit den Mädchen geflirtet und es genossen hatte. – Bis ich begriffen hatte, dass keines dieser hübschen Mädchen, der schönen jungen Frauen, mir je das Gefühl geben konnte, dass es ihr wirklich um mich ging.
    Dass ich nicht nur eine Eroberung war, die sie den anderen voraus hatte. Eine Trophäe ihrer Eitelkeit.
    Ich hörte mich leise und überlegen lachen: „Es war mir zu viel, mich von kleinen Mädchen anschmachten zu lassen.“
    Michaela wirkte schuldbewusst und fasste sich an ihre Nase. In diesem Moment wirkte sie unglaublich süß und unschuldig. „Erwischt!“, meinte sie.
    Ich musste über ihre ungezwungene Geste lachen. „Du?“
    Sie lachte. Kein leises, zaghaftes Lachen, wie es die meisten Frauen auf Lager hatten, sondern ein echtes. Eines, nach dem sich die Männer an der Theke umsahen. Mit einem Mal war ich froh darüber, dass ich es gewesen war, der ihr dieses Lachen entlockt hatte.
    „ Bis über beide Ohren!“, gestand sie.
    Unwillkürlich nahm ich ihre Hand und drückte sie kurz und dankbar für ihre Ehrlichkeit und die Unschuld, mit der sie dieses Geständnis machte. Es muss schwer sein, so etwas zu gestehen, selbst wenn inzwischen Jahre vergangen waren.
    „ Mit der Boutique …“, ich überlegte kurz, wie ich es am besten in Worte fassen sollte. „Ich wollte frei sein, mir meine Träume erfüllen.“
    „ Und …?“, fragte sie und wirkte aufrichtig interessiert. In ihren Augen glaubte ich für eine Sekunde den Hauch von Melancholie zu erkennen. Wie einen alten Schmerz, zu tief und zu vertraut, um akut weh zu tun.
    Wer oder was hatte ihr so weh getan?
    Ich fühlte mich an meinen eigenen Schmerz erinnert – Schöne Frauen! – und meine Antwort war leise: „Es hat nicht
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