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Lust de LYX - Gesandter der Sinne (German Edition)

Lust de LYX - Gesandter der Sinne (German Edition)

Titel: Lust de LYX - Gesandter der Sinne (German Edition)
Autoren: Elisabeth Naughton
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spürte.
    »Ich wüsste wirklich gern, wie sie dorthingekommen ist«, sagte Reule. Darcio nickte zustimmend, während sie überlegten, was sie tun sollten.
    »Ich sollte vorgehen. Ich bin leichter. Die Gefahr ist nicht so groß, dass der Boden nachgibt.«
    Stimmt, doch aus irgendeinem Grund wollte Reule die Sache nicht jemand anderem überlassen. Der Schmerz war so bittersüß, beinahe schön in seiner Reinheit und seiner Tiefe. Die Logik besagte, dass jeder, der so tiefen Schmerz fühlen konnte, auch mit dem Gegenteil vertraut war. Also hoffte Reule, dass Schmerz nicht das Einzige war, das sie fühlen konnte.
    »Nein«, antwortete er kurz darauf. »An der Wand ist ein schmaler Streifen, der so aussieht, als wäre er sogar für mich stabil genug. Und weil das mein Spleen ist, sollte ich vielleicht auch derjenige sein, der seinen Hals riskiert.«
    »Mein Primus«, protestierte Darcio.
    »Das war ein Scherz, Shadow. Sei unbesorgt.«
    »Ja, sobald wir aus diesem gefährlichen Höllenloch heraus sind«, erwiderte Darcio mürrisch.
    Reule wandte sich ab, damit dieser sein Lächeln nicht sah. Doch so leicht ließ er sich nicht umstimmen. Adrenalin schoss ihm durch das Blut, während er sich über die feuchten, knarrenden Dielen vorwärtstastete, die schon bald vollständig verrottet wären. Er versuchte, die feuchtkalte, schimmlige Wand dabei nicht zu berühren. Ein paar Schimmelflecken waren giftig oder zersetzten Fleisch. Ein lautes Krachen hallte durch den Raum, und Reule erkannte schlagartig, wie instabil das ganze Gebäude war. Die Schakale waren verrückt, an so einem Ort zu bleiben. So verfault wie der Fußboden war, konnte er sich den Zustand des Daches über ihm gut vorstellen. Er blickte zurück zu Darcio, und sie machten sich ein Zeichen, dass sie so schnell wie möglich von hier verschwinden sollten. Zumindest darin waren sie sich einig.
    Reule atmete vorsichtig aus, als er die andere Seite des klaffenden Lochs erreichte, doch solange er auf den feuchten Dielen stand, war er nicht gewillt, sich zu entspannen. Behutsam bewegte er sich zu den aufgetürmten Kisten und blickte in die dunkle Ecke dahinter.
    Das Einzige, was er sehen konnte, war eine blasse kleine Hand. Sein Herz setzte einen Moment aus, als ihm klar wurde, dass es sich wahrscheinlich um ein Kind handelte. Der Zorn flammte erneut in ihm auf, und er dachte wieder an die Schakale in den unteren Stockwerken, die noch am Leben waren. Wenn er das Grundstück verließ, würde keiner von ihnen mehr atmen, schwor er sich selbst grimmig. Sie hatten ihre allerletzten Opfer genossen.
    Ganz vorsichtig packte Reule eine der Kisten und schob sie ein wenig beiseite. Das beängstigende Knarzen des Fußbodens zwang ihn augenblicklich dazu, innezuhalten.
    »Zum Teufel«, murmelte er, stützte sich mit den Händen auf eine weitere Kiste und schwang sich mühelos über das mehr als einen Meter zwanzig hohe Hindernis. Er kam an der einzigen freien Stelle auf dem Fußboden auf, ohne dass er das Mädchen traf. Er hörte Darcio wüst fluchen, als er auf den krachenden Dielen landete.
    Reule beachtete ihn nicht und ging in die Hocke, um sie in der Dunkelheit besser sehen zu können. Er griff nach ihrer Hand, während er sich vorbeugte. Ihr Schmerz war zu einer sich wiederholenden Melodie geworden, die in ihm erklang, doch sie erreichte keine extremen Höhen und Tiefen mehr. Sie wurde auch nicht schwächer, sondern passte sich nur der Intensität an.
    Reule hatte keine Ahnung, was er vorfinden würde, doch hatte er gewiss nicht damit gerechnet, dass ihn eine zweite Hand an den Haaren packen und seinen Kopf mit überraschender Kraft herunterziehen würde, sodass sein Gesicht gegen eine zarte Wange gepresst wurde, die eiskalt war. Ein Lippenpaar, rau und weich zugleich, fuhr ihm über das Ohr, und schließlich strömte zumindest ihr warmer Atem über ihn. Der Gegensatz jagte ihm einen Schauer über den Rücken, noch verstärkt von ihrer krächzenden Stimme, als sie flüsterte: »Sánge, bautor mo.«

Die Originalausgabe erschien 2012 unter dem Titel
    Slave to Passion. A Firebrand Novella.
    Deutschsprachige E-Book-Erstausgabe Februar 2013 bei LYX
    verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH,
    Gertrudenstraße 30–36, 50667 Köln
    Copyright © 2012 by Elisabeth Naughton
    Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2013 bei
    EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
    Alle Rechte vorbehalten
    Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de
    Umschlagmotiv: © Sophie
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