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Lust auf Lust: Intime Geständnisse

Lust auf Lust: Intime Geständnisse

Titel: Lust auf Lust: Intime Geständnisse
Autoren: Renske de Greef , Matthias Müller
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bewunderte. Die Pracht der höfischen Liebe. Jemanden auf einen Sockel stellen. Jemanden anbeten. Meine Liebe war längst zu einer Religion geworden. Meine Besuche in der Kneipe waren meine Gottesdienste, und meine Hingabe war grenzenlos. Er war Gott und Priester in einer Person. Es war Selbstkasteiung. Ich fühlte mich geläutert durch diesen treuen, sklavischen Märtyrergang.
     
    Mein Blick bewölkt sich, während ich in Gedanken versinke. Meine Hand hört keinen Moment auf, in demselben trägen Tempo den Deckel zu zerkrümeln. Meine Augen wenden sich ab von der Stelle, die sie nun schon so lange beobachten. Das Gequatsche in meinem Ohr klingt wie eine Platte, die mit der falschen Umdrehungszahl abgespielt wird, zu schnell und zu hoch. Ich bin so müde. Ich schließe kurz die Augen. Er wird ja doch nur hinter der Bar stehen und ganz tiefsinnig vor sich hin starren. Er kann auch kurz ohne mich. Das scheint er nämlich die ganze Zeit schon zu können.
    »Äh …«
    Neben meinem Kopf erklingt plötzlich ein Aufmerksamkeit heischendes Räuspern. Ich öffne schnell die Augen und schaue dem Barkeeper direkt ins Gesicht, das zum Knieerweichen nah ist. »Äh…«, wiederholt er, »ich glaube, du hast gerade eben zu wenig bezahlt.«

Entzug
    D er lange Gang erstreckt sich endlos vor mir. Auf dem kühlen, klinischen Linoleum machen meine Schritte ein schmatzendes Geräusch. Ich bin unterwegs zu meinem Zimmer, meinem Verschlag. Die Menschen in der sterilen weißen Kleidung, denen ich entgegenkomme, grüßen mich in sanftem Ton. Milde und verständnisvoll. Die viel zu langen Hosenbeine meiner schlabbrigen Trainingshose schleifen über den Boden. Angekommen in meinem Verschlag setze ich mich auf die harte, dünne Matratze und lasse langsam die Luft aus meiner Lunge entweichen. Wie lange sitze ich hier schon? Die Tage in der Entzugsklinik Morgenröte sind lang. Doch fühle ich mich nicht müde und fahrig, so wie ich mich normalerweise fühlen würde nach unzähligen Tagen in derselben, absichtlich langweiligen Umgebung. Ich bin zufrieden und glücklich. Ich komme gerade aus der kreativen Therapie zurück und bin überwältigend stolz auf mich. Auch die Therapeutin fand, dass ich bei meinen Übungen mit Ton - aufgerichtete männliche Glieder, die ich dann rituell mit einem Hammer zertrümmere - große Fortschritte gemacht habe.
    Ich wusste nicht einmal, dass es so was gibt, eine Entzugsklinik für Nymphomaninnen. Aber so ist das immer. Wenn die Not am größten ist, dann wird einem, so scheint es, jemand geschickt, der einem den rechten Weg weist. Bei mir kam derjenige in Gestalt einer Freundin, die mit Suchtkranken arbeitet. Liebevoll legte sie mir den Arm um die Schulter und gab mir eine Visitenkarte von Morgenröte . »Wirklich. Ich glaube, das wird dir guttun.«
    Und auf einmal dachte ich das auch. Das es gut wäre, endlich davon erlöst zu sein, von dem ewigen Mahlstrom von Verführen, Verzaubern, Vögeln, Verzweifeln, Verlassen und Verlassenwerden. Immer wieder jemand anderes, immer wieder erst »ja« denken und dann »nein«. Die Gefühle von Lust, Hoffnung, Ablenkung, Enttäuschung, die wie ein hysterischer Karnevalszug an mir vorbeiziehen. Endlich Ruhe. Endlich mal was anderes.
    Ich zupfe ein bisschen an meinem Trainingsanzug. Ich darf hier zwar eigene Sachen tragen, aber von aufreizender Kleidung wird schärfstens abgeraten. Am Anfang habe ich mir da nicht so viel draus gemacht und ging oben ohne und mit wiegenden Hüften durchs Leben. Hohe Absätze machen schön viel Krach in langen, schmalen Fluren. Aber nach den Vorträgen mit den Dias ging es nicht mehr. Warum tat ich das eigentlich? Der Körper ist doch kein Fleisch im Sonderangebot, die Kleidung keine Einschweißfolie? Warum ziehe ich diese Sachen eigentlich an, für mich selber oder für jemand anderen? Wo liegt die Grenze zwischen selbstbewusst und selbstbewusst tun? Allmählich wich ich auf Jeans und T-Shirts aus, tat dann noch einen weiteren Schritt in die richtige Richtung und fing mit weiten Pullis an. Jetzt laufe ich nur noch in einem weiten Trainingsanzug rum, der alles bedeckt.
    Während der langen Vorträge erfuhr ich von Menschen, die an ihrer Sucht zugrunde gegangen sind. Frauen, die, ihren kurzen Rock bis zum Bauch hochgeschoben, in ihren eigenen Exkrementen in der Gosse gelandet waren, mit Lippenstift auf den Wangen und Mascara verschmiert bis zum Kinn, und mit ihren aus dem Top hängenden Brüsten und ausgestreckten Händen jeden Mann anflehten:
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