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Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Titel: Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster
Autoren: Karin Wahlberg
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eintönige Ticken des Narkosegerätes war zu hören.
    Mit Ausnahme des entblößten Bauches und des Kopfes war der Körper mit großen, hellblauen, sterilen Papierlaken bedeckt. Die Haut wies eine gesunde Bräune auf, vermutlich die Reste des langen, schönen Sommers. Die Gesichtsfarbe der Patientin war bei ihrem Eintreffen fast weiß gewesen, und sie hatte einen niedrigen Blutwert von 98 gehabt. Das Herz schlug natürlich rasch, um die relativ geringe Anzahl Sauerstoff transportierender Blutkörperchen auszugleichen. Die Ärzte waren sich bewusst, dass der Blutdruck bei fortwährendem Blutverlust zusammenbrechen und stark abfallen konnte, was leicht zu einem Schock führen würde.
    Veronika setzte das Skalpell an die glatte Haut an. Es gab keine Narben einer Blinddarm- oder Gallenblasenoperation. Hingegen sah sie drei dünne, weiße Narben, eine unter dem Nabel, zwei im unteren Bauchbereich, die auf Endoskopien schließen ließen. War sie aufgrund gynäkologischer Beschwerden operiert worden? Der Verlauf der Narben deutete darauf hin.
    Sie wussten immer noch sehr wenig über die Patientin, sie hatte ein glattes Gesicht mit fächerförmigen Fältchen in den äußeren Augenwinkeln, kleine, größtenteils einwandfreie Zähne, gepflegte Hände, saubere Fingernägel. Aus besseren Verhältnissen. Kein soziales Elend. Keine Kettenraucherin. Die Leberwerte verrieten keinen übermäßigen Alkoholkonsum.
    »Es sieht so aus, als wurde mal eine laparoskopische Untersuchung gemacht«, sagte Daniel Skotte.
    »Das dachte ich auch«, sagte Veronika.
    Sie setzte den Schnitt knapp über dem Schambein an. Folgte mit dem Skalpell rasch der Mittellinie aufwärts, schnitt dann in einem Bogen links um den Nabel herum und anschließend einige Zentimeter aufwärts. Die Einschusswunde befand sich wenige Zentimeter rechts vom Nabel, ein kleines Loch in der Haut, umgeben von einem dünnen Ring getrockneten Blutes.
    Auf den CT-Bildern war viel Flüssigkeit im Bauchraum zu erkennen gewesen, sie gingen davon aus, dass es sich um Blut handelte. Die Kugel steckte in Höhe der Steißwirbel, schien aber, den Bildern nach zu schließen, weder in die Wirbelsäule eingedrungen noch daran vorbeigeschrammt zu sein.
    Der Bauch wirkte geschwollen. Die Patientin schien nicht viel Unterhautfett zu besitzen, was die Operation vereinfachte. Veronika arbeitete sich rasch und methodisch durch die Bauchwand vor. Erst die Haut, dann die dünne Fettschicht, daraufhin die zähe Faszie, die sich entlang der langen, geraden Bauchmuskelsehnenscheiden teilte. Unter dem fast durchsichtigen Peritoneum sah sie etwas Dunkles glänzen. Blut.
    Ohne dass sie etwas sagen musste, hob Skotte das Bauchfell mit Hilfe zweier Pinzetten an, damit darunter befindliche Därme nicht beschädigt wurden. Mit einer stumpfen Schere schnitt Veronika vorsichtig ein kleines Loch zwischen den beiden Pinzetten. Dunkles, teilweise koaguliertes Blut strömte hervor. Sie setzten den Absauger an.
    Nun waren sie in die Bauchhöhle vorgedrungen, und Veronika und Skotte setzten einen Wundhaken ein, um die Wunde aufzuklappen, damit sie sich einen Überblick verschaffen konnten. Die Därme schwammen in Blut, das stetig nachsickerte. Die Farbe war nun heller, was auf frischeres Blut schließen ließ.
    Sie arbeiteten rasch und immer noch schweigend. Skotte wechselte zwischen Absaugen und Auswaschen der Bauchhöhle mit warmer Kochsalzlösung ab, bis die Sicht besser wurde und sie die Ursache der Blutung gefunden hatten.
    Neben einer Dünndarmwindung sprudelte es aus einer Arterie wie aus einem Springbrunnen. Veronika klemmte das Blutgefäß mit Hilfe einer Péan-Klemme ab. Die Blutung kam sofort zum Stillstand. Veronika überließ Skotte den Griff der Klemme, während sie abknotete.
    »Damit wäre vermutlich die schlimmste Blutung gestillt«, sagte sie, ohne den Kopf zu heben.
    »Herzlichen Dank«, sagte Arne und Veronika hörte, wie er am Narkosegerät drehte. »Jetzt weiß ich, wie viel Blut ungefähr gebraucht wird«, fuhr er fort. »Der Druck ist zufriedenstellend.«
    Kaum etwas vermochte Anästhesisten so sehr zu verärgern wie stete, unaufhörliche Blutungen. Schlimmer war höchstens, die Luftwege nicht frei halten und somit den Tubus nicht einführen zu können, sodass der Patient erstickte.
    Nun konnte Veronika etwas gelassener fortfahren. Sie nahm die Region in Augenschein, aus der es geblutet hatte. Behutsam umfasste sie den Dünndarm, drehte ein wenig und stellte fest, dass die Darmwand in der
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