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Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Titel: Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster
Autoren: Karin Wahlberg
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allererste Frage, die sich Erika ganz spontan stellte, war, weshalb die Frau im Gras neben dem Gehweg gelegen hatte. War sie herumgeirrt, bevor sie gestürzt war? Hatte man sie dorthin geschleift?
    Sie nickte zwei uniformierten Beamten zu, die neben ihr Posten bezogen hatten. Mustafa Özen, wie Erika auch in Malmö geboren und aufgewachsen, wurde gemeinhin Musse genannt. Er war ein Neuzugang, genau wie Lena Jönsson, die früher bereits als Anfängerin bei der Truppe gearbeitet und nun eine feste Stelle hatte. Die kleine und dem Äußeren nach zarte Jönsson mit ihrem kecken, blonden Pferdeschwanz war eine ungeheuer treffsichere Schützin. Und nicht im Geringsten zartbesaitet und sehr humorvoll.
    Musse hatte schöne Augen. Samtweich wie Erikas. Sowohl Erikas als auch Musses Eltern waren Immigranten, beide kamen sie aus Malmö, aber dennoch entstammten sie verschiedenen Welten. Musse war in Rosengård aufgewachsen, Erika im Nobelviertel Limhamn. Beide hatten fasziniert festgestellt, dass die Menschen tatsächlich an sie herantraten und mit ihnen sprachen, wenn sie ihre Uniform trugen. »Sonst hätte mich niemand nach dem Weg gefragt«, sagte Musse.
    Erika trug ihr Haar zu einem hoch sitzenden Pferdeschwanz zusammengebunden. Ihr schlanker Hals war unbedeckt. Sie erschauerte, klappte den Kragen ihrer Windjacke hoch und hielt ihn vorne zusammen. Seit sie Kripobeamtin geworden war, das Beste, was ihr je widerfahren war, trug sie nur noch selten die Uniform.
    »Eine ganz gewöhnliche Frau mittleren Alters«, sagte Musse unaufgefordert.
    »Wie alt war sie denn?«
    »Tja, so um die vierzig«, vermutete Musse.
    Und schon mittleren Alters. Es geht schnell abwärts, dachte Erika.
    »Weißt du, wie es um sie steht?«
    »Keine Ahnung.«
    Sicherheitshalber warf er einen liebevollen Blick auf die um zwei Köpfe kleinere Lena Jönsson, die neben ihm stand. Diese wandte sich ihm zu, die beiden sahen einander an und hoben gleichzeitig die Schultern. Erika verspürte zu ihrer eigenen Verwunderung einen Stich unbegründeter Eifersucht.
    Schließlich waren sie Kollegen, arbeiteten zusammen. Es gab nichts Größeres als das Gefühl, Teil eines Teams zu sein.
    »Sie war ja nicht sonderlich gesprächig«, sagte Lena Jönsson. Als der Fahrradfahrer sie entdeckte, war sie fast schon bewusstlos.
    Ein Kollege war gerade damit beschäftigt, den Fahrradfahrer zu befragen, einen Teenager mit weißer Basecap.
    »Hallo.«
    Erika Ljung drehte sich um. Da stand Louise Jasinski.
     
    Das große Tor der Krankenwageneinfahrt schloss sich gerade, als Veronika Lundborg auf den Parkplatz bog. Sie hatte gesehen, wie sich das Blaulicht dem Krankenhaus genähert hatte. Die Ambulanz war von der Stadtmitte her gekommen, nicht von Döderhult.
    Als sie ihren Code an der Tür zur Notaufnahme eintippte, tauchte ein Streifenwagen auf, sonst war es still.
    Sie betrat das Krankenhaus, noch ehe das Auto zum Stillstand gekommen war. Im Warteraum schlummerte eine alte Frau auf dem Sofa, im Fernsehen lief ein amerikanischer Film ohne Ton. Veronika nahm an, dass es sich bei der Frau um eine Angehörige handelte, die jedoch vermutlich nicht zu der Verletzten mit der Schusswunde gehörte.
    Die Ambulanzpfleger hoben die Frau auf eine Bahre. Daniel Skottes blonder Schopf tauchte über den Köpfen der anderen auf.
    »Gut, dass du da bist«, sagte er.
    Sie hörte die Erleichterung in seiner Stimme. Der Sanitäter drehte sich zu ihnen um und erläuterte den Sachverhalt. Veronika betrachtete das Gesicht auf der Bahre, während sie ihm zuhörte.
    Die Frau war etwa im selben Alter wie Veronika, ihr Gesicht war kreidebleich, und sie hatte offenbar Schmerzen. Die Krankenschwestern legten Venenzugänge und der Anästhesist einen zentralen Zugang. Sie nahmen Blut mit Hilfe einer Kanüle ab, um eine Blutgruppenbestimmung durchzuführen. Der Anästhesist verordnete eine Infusion und für einen späteren Zeitpunkt Blutkonserven. Ein Blick genügte um zu sehen, dass die Frau viel Blut verloren hatte. Sie vermuteten, dass mindestens eine Kugel im Bauchraum steckte, falls es sich nicht um einen Durchschuss gehandelt hatte. Noch hatte niemand die Patientin umgedreht und nach einer Austrittswunde gesucht.
    »Versuch, möglichst wenig zu schneiden. Sie hätte gerne heile Kleider«, sagte eine großbusige Pflegehelferin zu einer Kollegin.
    »Pech«, sagte die bedeutend kleinere Schwester Christel und setzte die Schere an der Vorderseite des hellbraunen Pullovers an. »Aber ich kann um den
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