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Luegenprinzessin

Luegenprinzessin

Titel: Luegenprinzessin
Autoren: Nora Miedler
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Neue sich näherkamen. Mein Leben war im Eimer, schlimmer ging es gar nicht.
    Schlimmer geht es immer. Als ich die Wohnungstür aufschloss, erwartete mich mein Vater bereits im Vorzimmer. Das war an sich nichts Neues, das machte er immer so, seit er vor fünf Monaten seinen Job hingeschmissen hatte, um seiner Berufung zu folgen und Fantasy-Autor zu werden. Was im Klartext bedeutete, dass wir plötzlich knapp bei Kasse waren und er außerdem permanent zu Hause hockte.
    »Hey«, begrüßte er mich. »Wie du weißt, kannst du mit mir über alles reden.«
    Ich überlegte blitzschnell. Hatte ich was angestellt? Irgendetwas, das ich am besten jetzt gleich beichtete, weil er von dem Vergehen ja ohnehin schon wusste?
    Doch mir fiel nichts Aktuelles ein. Dass seine Tochter zu einer psychopathischen Stalkerin mutiert war, konnte er ja kaum wissen. Ich wartete also erst mal ab.
    Er seufzte tief. So tief, glaube ich, können überhaupt nur Eltern seufzen. Oder Lehrer. Und jetzt setzte er auch noch seinen hyperverständnisvollen Blick auf. »Mia, schau, ich war auch mal fünfzehn. Und das ist noch gar nicht lange her.«
    Ich verdrehte innerlich die Augen und machte mich auf einen langen Monolog gefasst.
    »– du ja wirklich gesegnet bist, weil du einen Vater hast, der nicht zu diesen bornierten alten Spießern gehört. Also sag es rundheraus: Bist du schwanger?«
    Ich riss die Augen auf, verzog das Gesicht. »Nein!« Redete mein Vater grade wirklich über Sex? Was sollte das?
    »Bist du sicher?«
    Ich war knapp dran, meinem Vater zu verklickern, dass ich ja gar nicht schwanger sein konnte, weil man dafür ja Sex haben musste und ich noch nie welchen hatte. Doch ich wollte dieses Thema wirklich nicht vertiefen und nickte nur heftig. Danach ließ er mich in Frieden ziehen, nicht ohne sich lautstark darüber zu wundern, warum Mama ihm denn nicht gesagt hatte, dass ich heute einen Termin beim Gynäkologen hatte.
    Ich schloss die Tür zu meinem Zimmer und rief Diana an.
    »Schon fertig beim Gyn?«
    »Du hast meinen Vater angerufen, stimmt’s?«
    »Ja, ich wollte dich nur fragen, ob du mir deinen alten iPod für die paar Zelttage leihen kannst, und kaum hat dein Vater abgehoben, ist mir eingefallen, dass du ja noch gar nicht zu Hause sein kannst. Aber jetzt bist du ja doch schon da.«
    Ich fragte mich, was das Ganze sollte. Vor nicht einmal zwanzig Minuten hatte sie mich noch gesehen und kurz darauf rief sie bei mir zu Hause an. Warum nicht auf meinem Handy? Doch eigentlich kannte ich den Grund. Sie hatte meine Lüge durchschaut und wollte mich auffliegen lassen. Darum hatte sie meinem Vater verklickert, dass ich auf dem Weg zum Frauenarzt war. Der das natürlich leichtgläubig hingenommen hatte und sich nicht einmal darüber wunderte, dass ich schon wieder zu Hause war. Ich seufzte tief und presste die Augenlider zusammen, bis es schmerzte. Ich wusste, dass ich in Wahrheit auf mich selbst wütend sein sollte, auf meine ständigen Lügereien, aber momentan war es viel einfacher, sauer auf Diana zu sein.
    Den halben Nachmittag konnte ich mich nicht dazu überwinden, meinen Rucksack für das Lager zu packen. Am liebsten wäre ich überhaupt nicht mitgefahren. Sollte ich einen auf krank machen? Aber was, wenn ich doch was verpasste? Vielleicht war Joe ja morgen krank und fuhr nicht mit. Vielleicht waren die drei Tage Zelten ja doch der Beginn einer wunderbaren ewig andauernden Beziehung zwischen David und mir. Drei denkwürdige Tage, von denen wir noch unseren Enkelkindern erzählen würden. Ich fing zu packen an. Außerdem nahm ich mir vor, in den drei Tagen zu üben, wie eine vollbusige Blondine zu lachen. So schwer konnte das ja nicht sein!
    Am nächsten Morgen trichterte meine Mutter mir beim Frühstück ein, mich jede Stunde mit Sonnencreme einzusprühen. Und mit Mückenschutz. Und mein Notfallset mit Cortison und Antihistaminikum bei jedem, auch noch so winzigen, Ausflug einzustecken, für den Fall, dass eine Wespe mich erwischte.
    »Das hab ich sowieso immer mit«, erwiderte ich verwundert. Schließlich hatte ich eine Allergie und war sicher nicht scharf darauf draufzugehen. In den letzten Monaten war meine Mutter eher mit sich selbst und den Tücken ihres fortschreitenden Alters beschäftigt gewesen als mit mir, daher überraschte mich ihre Sorge etwas. Sie schien meine Gedanken erraten zu haben, denn plötzlich nahm sie mein Gesicht in beide Hände und hauchte: »Ach Mialein, weißt du, letztendlich bin ich ja doch vor allem
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