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Lucy Sullivan wird heiraten

Lucy Sullivan wird heiraten

Titel: Lucy Sullivan wird heiraten
Autoren: Marian Keyes
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flüsterte ich erneut und spürte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen.
    »Sie haben das fast ganz allein mit sich herumgetragen«, sagte sie sanft.
    »Ja.« Während ich nickte, merkte ich, wie mir langsam eine Träne über die Wange lief. Großer Gott! Es war entsetzlich! Eigentlich waren wir gekommen, um uns zu amüsieren, und jetzt hatte diese mir völlig fremde Frau in die tiefsten Winkel meiner Seele geblickt und mich an einer Stelle getroffen, die nur wenige Menschen je erreicht hatten.
    »’tschuldigung«, schniefte ich und fuhr mir mit der Hand über das Gesicht.
    »Schon gut, meine Liebe«, sagte sie und gab mir aus einer Schachtel, die erkennbar zu diesem Zweck auf dem Tisch stand, ein Papiertaschentuch. »Das passiert immer wieder.«
    Sie wartete einige Augenblicke, während ich mich faßte, und begann dann erneut zu sprechen.
    »Alles in Ordnung?«
    »Ja.« Schnief. »Danke.«
    »Das kann besser werden, meine Liebe. Aber Sie dürfen sich nicht vor Menschen verstecken, die Ihnen ihre Hilfe anbieten. Wie könnten die Ihnen helfen, wenn Sie ihnen keine Möglichkeit dazu geben?«
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen«, murmelte ich.
    »Möglich«, stimmte sie mir freundlich zu. »Aber ich hoffe, Sie werden es erkennen.«
    »Danke«, schniefte ich. »Sie waren sehr freundlich. Danke auch für die Sache mit dem Heiraten und so weiter. Das hat mir gutgetan.«
    »Keine Ursache, meine Liebe«, sagte sie aufgeräumt. »Das macht dreißig Pfund.«
    Ich bezahlte und erhob mich von dem quietschenden Plastiküberzug.
    »Alles Gute, meine Liebe. Würden Sie die nächste junge Dame hereinschicken?«
    »Wer ist dran?« fragte ich mich laut. »Ach so, Megan, nicht wahr?«
    »Megan!« rief Mrs. Nolan aus. »Ein wunderschöner Name. Bestimmt kommt sie aus Wales.«
    »Nein, aus Australien«, lächelte ich. »Noch mal vielen Dank. Auf Wiedersehen.«
    »Wiederseh’n, meine Liebe«, sagte sie mit einem Lächeln und nickte. Ich trat wieder in die winzige Diele, wo mich die drei anderen mit Fragen bestürmten. »Und?«, »Was hat sie gesagt?« und »War es das Geld wert?« (Das war Megan.)
    »Ach doch«, sagte ich zu Megan. »Du solltest wirklich reingehen.«
    »Aber nur, wenn ihr alle versprecht, erst zu erzählen, wenn ich wieder da bin«, forderte sie uns auf. »Ich will nichts verpassen.«
    »Wenn es sein muß«, seufzte ich.
    »Alte Egoistin«, knurrte Meredia.
    »Reiß dich zusammen, Specki«, zischte Megan.

4
    A ls Megan etwa zwanzig Minuten später lächelnd herauskam, war es Zeit, in die Kälte und die Dunkelheit zurückzukehren, um zu sehen, was die kleinen Teufel mit Hettys Wagen angestellt hatten.
    »Es wird ja wohl alles in Ordnung sein?« sorgte sich die Ärmste und strebte im Laufschritt ihrem Auto entgegen.
    »Das will ich hoffen«, bekräftigte ich, während ich mit ihr Schritt zu halten versuchte. Das meinte ich durchaus ernst, waren doch die Möglichkeiten, auf andere Weise zurückzukehren, äußerst dürftig.
    »Wir hätten nie herkommen sollen«, sagte sie. Es klang niedergeschlagen.
    »Doch, unbedingt«, sagte Megan munter. »Ich fand es klasse.«
    »Ich auch«, sagte Meredia, die sich im Abstand von etwa fünfzehn Metern hinter uns herwälzte.
    So unglaublich es klingt, dem Wagen fehlte nichts.
    Kaum waren wir um die Ecke gebogen, als das kleine Mädchen, das auf ihn aufpassen sollte, wie aus dem Nichts auftauchte. Ich weiß nicht, welche Art drohenden Blick sie Hetty zuwarf, doch griff diese sofort in die Handtasche und fischte noch ein paar Pfundmünzen heraus, die sie ihr gab.
    Wir sahen keins der anderen Kinder. Wohl aber hörten wir sie ganz in der Nähe heulen und kreischen. Glas splitterte.
    Als wir aus der Siedlung hinausfuhren, kamen wir an einer Gruppe von ihnen vorüber. Sie machten sich an einem Wohnmobil zu schaffen. Vermutlich zerlegten sie es in seine Bestandteile.
    »Müssen die eigentlich nie ins Bett?« fragte Hetty besorgt, von ihrer ersten Begegnung mit einem Ghetto sichtlich entsetzt. »Ich meine, wo sind ihre Eltern? Was tun die? Man muß doch was dagegen unternehmen können?«
    Unser Anblick begeisterte die Kinder sichtlich. Als sich ihnen unser Auto näherte, begannen sie zu lachen, zu rufen, zu gestikulieren und herumzublödeln. Es war deutlich zu sehen, daß ihre besondere Aufmerksamkeit nach wie vor Meredia galt. Drei oder vier der Jungen brachten es fertig, eine ganze Weile neben dem Wagen herzulaufen, wobei sie lachten und Grimassen schnitten, bis wir sie schließlich
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