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Luca's Rezepte

Luca's Rezepte

Titel: Luca's Rezepte
Autoren: Jobst Mahrenholz
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gegen ihre Benutzung ausspricht, ist in meinen Augen nicht besser als ein Massenmörder. Nicht mehr und nicht weniger...«
    Erst jetzt nahm ich wahr, dass sich die Situation im Studio geändert hatte.
    Das Publikum reagierte deutlich irritiert, ja teilweise sogar geschockt auf meine Äußerungen und vereinzelte Rufe wurden laut. Simona Latello sah mich unterdessen an, als würde ich seit Minuten auf ihrem Fuß stehen, und sie schüttelte kaum merklich den Kopf, als ich fortfahren wollte, während mich Ski-Ass Claudio ansah, als hätt' ich ihm in seine Suppe gespuckt. Hatte ich wahrscheinlich auch. Nur - ich verstand es nicht. Ich sagte doch bloß, was ich dachte. Nichts anderes tat ich. Und dazu hatte ich doch das Recht...
    »Ich denke mal...«, versuchte die Latello zu retten, was zu retten war, »...dass deine Ansichten weit weniger radikal gemeint waren, als sie jetzt vielleicht bei uns angekommen sind...«
    »...Ich weiß es nicht«, erwiderte ich konzeptlos und völlig verwirrt. »Jeder Mensch hat doch das Recht zu glauben oder zu denken. Es geht mir um was anderes...«
    »Ja?«
    »Jeder Mensch hat seine... seine eigene Geschichte. Genau das meine ich ja damit... Ich greife ja nicht den einzelnen Menschen an. Im Gegenteil...«, stammelte ich zusammenhanglos, immer noch damit beschäftigt zu verstehen, was hier gerade geschah. Wo lag nur der Fehler in meinen Worten?
    Ich erkannte es einfach nicht.
    Ich erkannte nicht, dass es nicht an meinen Worten lag, sondern an meiner Tat...
     
    Mein Spider transportierte mich pfeilschnell durch die Nacht, wie ein guter alter Freund. Er war scheinbar auch der einzige, den ich noch hatte.
    Schon in der Garderobe des Studios fing mich ein Anruf von Gianni ab. Er war außer sich, und ich - gefeuert.
    »... Scheißnummer, Lauro, absolute Scheißnummer! Ja, bist du denn komplett irre? Der Papst als Massenmörder. Geht’ s noch? Die machen mir hier die Hölle heiß. Kann froh sein, wenn ich meinen Job morgen noch habe. Du, du kommst jetzt sofort hierher, und wir arbeiten an deinem Dementi. Sofort. SOFORT...«  
    Rebecca hielt sich mit Kritik zurück, aber ich sah ihr an, dass sie enttäuscht von mir war. Sehr enttäuscht sogar. Aber als ich meine Sachen gepackt und im Wagen verstaut hatte, verabschiedete sie sich zumindest mit einer Umarmung und strich mir durch mein Haar, wie sie es früher immer getan hatte, als das Wort kleiner Bruder noch von Bedeutung war.  
    Ich musste noch diese Nacht zurück, hielt es keinen Moment länger dort aus. Einen Teufel würde ich tun, mich jetzt mit Gianni an ein Dementi zu setzen. Meinen Job war ich eh los, daran hatte er keinen Zweifel gelassen, da war es nun auch egal, ob ich zurücknahm, was ich gesagt hatte oder nicht.
    Jetzt, hinter dem Steuer meines Wagens, beruhigte ich mich langsam.
    Am frühen Morgen würde ich Genova erreichen...
    Bei meinem Tempo vielleicht sogar eher.
    Ich warf meine Donnie Darko-CD in den Wechsler, Musik zu einem Film, in dem es um einen ziemlich verlorenen Jungen ging, auf dessen Schultern nichts Geringeres als die Verhinderung des Weltunterganges lastete.
    Auch ein mieser Job... aber die Musik passte perfekt.
    Mann, hatte ich Mist gebaut. Wobei mir immer noch nicht klar war, worin nun das ganz große Drama lag.
    Jack klärte mich über Freisprechanlage auf.
    »...Na, du hast ja praktisch ganz Italien als komplett bescheuert hingestellt...«
    »Aber... Ich dachte, das mit dem Papst...«
    »...Dass der Papst kleine Kinder frühstückt, weiß doch jeder, aber dein fabulieren über’s fromme Gehabe der Gefolgschaft... das war schon ein Tritt in die Eier der Nation...«  
    »Mein Gott!«
    »...Na ja, nun wohl nicht mehr...«
    »Ich hab einfach nur gesagt, was ich dachte...«
    » Tja, da bist du laut eigener Definition ja ziemlich alleine mit diesem Talent...«  
    »War’s wirklich so schlimm...?«
    » Mir hat’s höllisch Spaß gemacht, und eine kleine, feine, treue Fangemeinde ist dir sicher...«  
    »Aber...?«
    »...Aber ansonsten bist du so was von erledigt...«
    Erledigt fühlte ich mich jetzt schon und innerlich wünschte ich, einfach immer nur so weiterfahren zu können, einfach fahren, ohne Stopp, ohne mich jemandem erklären zu müssen. Fahren, immer nur fahren und fahren, weit, weit weg...
    Doch nach etwas über fünf Stunden erreichte ich nun doch mein Ziel, ob es mir gefiel oder nicht. Und da mich zu Hause eh nichts erwartete, steuerte ich automatisch das L’amo an. Mit etwas Glück war da sogar
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