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Was ich dich traeumen lasse

Was ich dich traeumen lasse

Titel: Was ich dich traeumen lasse
Autoren: Franziska Moll
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Tag 1
    Wie schön er ist. Vom Schlaf ist die Haut ganz samtig. Die Lippen rot. Die Haare zerzaust. Sie umfassen das Gesicht wie der Rahmen sein Kunstwerk. Die Augen bewegen sich unter den Lidern. Sie wandern hin und her, als würden sie etwas suchen. Vielleicht mich. Ich bin hier.
    Nur wenige Millimeter trennen unsere nackten Körper. Ich kann die Wärme seiner Haut spüren. Der Augenblick vor der Berührung verursacht mir Gänsehaut. Jedes Mal. Meine Körperhaare streifen seine. Mir läuft ein Schauer über den Rücken. Erst als der verebbt ist, schmiege ich mich an ihn.
    Â»Guten Morgen«, flüstere ich.
    Er knurrt, dreht sich weg, weiß noch nicht, dass ich es bin, die seine Träume kreuzt.
    Ich zeige ihm, dass es Grund gibt, herüber zu den Wachen zu kommen, schlinge die Arme um seinen Körper, presse die Knie in die Kuhle, die seine angewinkelten Beine bieten. Zwei Löffel, die keine Lust auf Frühstück haben. Aber es ist spät. Zu spät.
    Â»Schule«, flüstere ich. »Dornsted wartet.«
    Er knurrt wieder, zieht das Kissen unter dem Kopf hervor und presst es aufs Ohr. Er weiß jetzt, dass ich es bin. Von nun an ist es ein Spiel. Unser Spiel. Das Kissen über dem Kopf heißt, ich muss deutlicher werden.
    Meine Hand wandert über seinen Rücken. Hier ist die kleine Vertiefung, in der die Haut dunkler ist. Darunter ist es hügelig. Ich kneife feste zu.
    Â»Aua! Mein Arsch! Bist du wahnsinnig! Das gibt einen blauen Fleck!« Er tut verletzt und möchte doch mehr.
    Ich kneife wieder zu, ein bisschen höher. »Ja, wahnsinnig verliebt«, sage ich.
    Und das stimmt. In diesem Moment besonders. Es sind immer solche Momente. Wenn er schläft. Wenn er sich unbeobachtet fühlt. Wenn ich ihn aus der Distanz betrachte. Dann fließt alles in einer Sekunde zusammen. Dann ist alles ganz leicht. Ja, wirklich, das Leben ist jetzt leicht wie eine Feder, die ich vor mir herpuste.
    Er dreht sich um. Er kann nicht widerstehen. Die eine Hand schiebt sich mühsam unter meine schwer im Bett versunkene Hüfte, die andere kommt von oben. Er hat mich. Und er will mich nicht mehr loslassen.
    Â»Es ist schon nach halb acht«, sage ich.
    Â»Die erste Stunde ist also verloren.«
    Â»Nicht, wenn wir uns beeilen. Komm. Wir müssen unter die Dusche.«
    Â»Ich mag, wenn du schmutzig bist.« Er biegt meinen Arm nach oben und vergräbt die Nase in der Achsel. »Wenn ich mich nicht irre, grassiert im Moment eine elende Magen-Darm-Geschichte. Dass ich mich bei dir anstecke, wird sogar Dornsted einleuchten. Also, wir sind krank.« Er verzieht das Gesicht, als würde er damit ernst machen.
    Â»Wie hässlich du sein kannst«, sage ich.
    Und er: »Ich würde dich auch lieben, wenn du hässlich wärst. Hässlich. Dümmlich. Von mir aus auch mausetot.«
    Â»Und ich würde dich auch lieben, wenn du dein Abi schaffst«, sage ich und rutsche zwischen seinen Armen hindurch ans Bettende. Die Decke ziehe ich mit mir. Als ich Richtung Badezimmer verschwinde, werfe ich einen Blick zurück. Das Morgenlicht sieht nirgends so schön aus wie auf seinem nackten Körper. Es formt Hügel und Täler. Er ist gemalt. Vielleicht sollte ich zurückgehen, nur noch für einen Moment.
    Â»Wirst du dich nächstes Mal wieder genau da genauso hinlegen?«, frage ich.
    Â»Wieso?«
    Â»Sag einfach Ja. Merk dir, wie du jetzt liegst, und mach es exakt so, okay?«
    Â»Okay!«
    Ich gehe nicht zurück. Ich verschiebe es auf morgen.
    Mein Blick wandert auf die gegenüberliegende Seite des Raumes. Er schaut nicht zu mir herüber. Er spricht mit Aron und gestikuliert so ausladend, wie sein Grinsen breit ist. Ich kann nicht erkennen, worum es geht. Vielleicht um mich.
    Es sind bestimmt sieben Meter. Er ist zu weit weg. Konzentrieren kann ich mich ganz sicher nicht besser, wenn er weit weg ist. So was kann auch nur einem Lehrer einfallen.
    Â»Habt ihr was geplant?«
    Â»Ja. Wir wollen essen gehen. Drei Gänge. Kerzenschein. Champagner.«
    Susanne lächelt, versucht, sich für mich zu freuen, aber es will ihr nicht gelingen. Ich kann sehen, dass sie mit etwas kämpft. Sie möchte das auch. Schon viel zu lange.
    Â»Ein ganzes Jahr. Das ist wirklich … lang«, sagt sie und schaut auf ihr Heft. Zum Glück muss sie noch etwas abschreiben.
    Â»Wir sind ein altes Ehepaar.« Ich versuche, ihr etwas zu geben, an
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