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Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden

Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden

Titel: Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
Autoren: Gwen Bristow
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war, blieb Judith still am Fenster sitzen und schaute hinaus auf die Blumen und die Baumwollfelder, die dahinterlagen. Wie sonderbar war es doch, daß sie als kräftiges, gesundes Farmermädchen den Fluß heruntergekommen war und mitgeholfen hatte, diese Wohnstätte und diese Kultur zu begründen, deren Hauptstärke darin beruhte, daß jeder wußte, was er vom anderen zu erwarten hatte. Aber obwohl sie einen so großen Anteil an dem Aufbau dieser Plantage gehabt hatte, wußte sie selbst jetzt noch nicht, wie das alles zustande gekommen war.
    Es war so ruhig an diesem Nachmittag, daß sie die Neger auf den Baumwollfeldern singen hören konnte.
    »Ich will regen meine Hände,
Wo die Baumwollfelder stehn,
Halleluja, Herre Jesus,
Ich bin geboren in diesem Land!«
    Sie konnte sich kaum noch daran erinnern, daß diese Gegend früher eine dschungelhafte Wildnis gewesen war. Aber während ihrer Lebenszeit hatte sich diese große Wandlung vollzogen. Die Jahre waren so schnell vergangen, und nun war alles vorüber. Sie hatte diese unglaubliche Entwicklung miterlebt, ja sie selbst war ein Teil davon gewesen. Und nun war die Zeit gekommen, in der nichts mehr von ihr gefordert wurde.
    Judith faltete die Hände über dem Knopf ihres Stockes und fühlte erstaunt, daß dieser Gedanke ihr Ruhe und Erleichterung brachte. Wenn man von dem lahmen Knie absah, war ihre Gesundheit ausgezeichnet. Wahrscheinlich würde sie noch viele Jahre weiterleben und sich an der Zivilisation und Kultur erfreuen können, die sie mit so viel Mühe und Arbeit geschaffen hatte. Nie wieder kamen große Aufregungen in ihr Leben. Die tiefen Freuden, die sie früher gekannt hatte, würde sie nie mehr empfinden, aber sie würde auch nie wieder so schmerzlich leiden müssen, wie sie gelitten hatte.
    Dieses Gefühl der Entspannung war köstlich. Ihre Kinder und Enkel mußten die gleichen Erfahrungen machen wie sie selbst, und sie war bei ihnen, wenn sie ihre Hilfe brauchten. Sie hatte Weisheit und Erfahrung gesammelt, denn sie hatte diesen Weg schon vor ihnen zurückgelegt. All ihr Wissen war klar, frei von überschwenglicher Freude und wildem Schmerz. Sie konnte unbesorgt ihren Rat geben, da sie nicht mehr von dem Irrtum der Jugend befangen war, daß die ganze Welt sich um sie selbst drehte.
    Judith lächelte in ruhiger Siegesgewißheit, und verwundert erkannte sie, daß sie erst jetzt, nachdem die Schlüsselgewalt in andere Hände übergegangen war, Frieden gewonnen hatte.
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